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Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Titel: Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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warten würde, daß Katrin zurückkam.
    Natürlich war sie nicht da. Aber Jan fragte sich, wieso er überhaupt auf diesen verrückten Gedanken kam. Katrin und Vera vertrugen sich ausgezeichnet – konnte es sein, daß er tief in sich eifersüchtig auf Vera war?
    Unsinn.
    Vera war eine Episode. Nicht einmal das. Er würde sie in drei Tagen vergessen haben und in einem Jahr nicht einmal mehr wissen, daß er sie jetzt gekannt hatte.
    Er wollte sich vom Fenster abwenden, um seine Zigarette in den Aschenbecher zu werfen, als Katrins weißer Golf unten erschien. Sie hatte eine Parklücke auf der anderen Straßenseite entdeckt, steuerte sie in forschem Tempo an und fuhr ein paar Meter daran vorbei, um rückwärts hineinzustoßen.
    Und in diesem Moment sah er den Schatten.
    Er stand auf der anderen Straßenseite, ziemlich genau da, wo der Golf zum Stehen kommen würde, und Jan war hundertprozentig sicher, daß er vor einem Moment noch nicht dagewesen war.
    Und er erkannte ihn wieder !
    Es war die Gestalt, der er im Tunnel begegnet war. Der Unheimliche, der ihn angegriffen und ihn um ein Haar ein Auge gekostet hätte. Er war mindestens zwanzig Meter entfernt und auch jetzt nur als Schemen zu erkennen, wie etwas, das da sein wollte, ohne es wirklich zu sein. Es gab nicht den geringsten Zweifel. Jan hätte ihn selbst bei völliger Dunkelheit und über zwanzig Kilometer Entfernung hinweg erkannt.
    Er sah wieder zu Katrins Wagen hin und überschlug blitzschnell die Zeit, die sie noch brauchen würde, um einzuparken, den Zündschlüssel aus dem Schloß zu ziehen, den Sicherheitsgurt zu lösen, die Tür zu öffnen und auszusteigen. Fünf – mindestens! – vielleicht sogar zehn Sekunden. Das war mehr als genug.
    Jan wirbelte auf dem Absatz herum, raste in die Diele und kam nach kaum zwei Sekunden mit dem Fotoapparat zurück, den er dort deponiert hatte. Katrin hatte das Parkmanöver gerade beendet. Die Bremslichter leuchteten noch. Der Schatten stand fünf Meter daneben und starrte sie an.
    Jan machte sich nicht die Mühe, die Gardine zurückzuziehen, sondern riß die Kamera in die Höhe und hielt den Finger auf dem Auslöser. Der Motor surrte hektisch, als die Kamera rasch hintereinander ein halbes Dutzend Aufnahmen machte. Sie zeigten Katrin, wie sie ausstieg, die Wagentür verschloß und sich dann herumdrehte, um die Straße zu überqueren.
    Ohne nach rechts oder links zu sehen.
    »Um Gottes willen«, murmelte Jan. »Katrin.« Dann schrie er noch einmal und so laut er konnte: »Katrin!«
    Natürlich hörte sie ihn nicht. Aber eine halbe Sekunde später wandte sie doch den Kopf und sah nach links.
    Jan tat dasselbe und spürte einen einzigen, fast lähmenden Schrecken. Auf der Straße herrschte der übliche Feierabendverkehr, und wie gewöhnlich hielt sich niemand an die Geschwindigkeitsbeschränkung. Auch der dunkelblaue Mercedes nicht, der in hohem Tempo direkt auf Katrin zusteuerte. Aber obwohl sie direkt in seine Richtung sah, schien sie ihn entweder nicht zu bemerken oder irrsinnig genug zu sein, darauf zu vertrauen, daß er schon anhalten oder wenigstens ausweichen würde, denn sie ging in aller Seelenruhe weiter, eine brennende Zigarette in der linken und eine prall gefüllte Einkaufstüte in der rechten Hand.
    Jan wirbelte herum und raste los. Er hatte nicht die Spur einer Chance, auch nur rechtzeitig zur Wohnungstür zu kommen, geschweige denn auf die Straße. Aber er mußte es wenigstens versuchen.
    Draußen vor dem Haus kreischten Bremsen, als er die Tür aufriß und in den Flur hinausstürmte. Er glaubte das dumpfe Krachen von Metall zu hören, das sich ineinanderbohrte und dabei zusammengeknautscht wurde wie dünnes Stanniolpapier, das Splittern von Glas und – o Gott! – einen gellenden Schrei, der abrupt abbrach, aber das konnte nicht sein. Er warviel zu weit entfernt, und diese Geräusche konnten – mußten – nur seiner Phantasie entspringen. Er weigerte sich einfach, irgendeine andere Möglichkeit auch nur in Betracht zu ziehen, sondern raste wie von Furien gehetzt durch den Flur und so schnell die Treppe hinunter, daß es schon fast an ein Wunder grenzte, daß er nicht stolperte und fiel.
    Sein Herz machte einen erschrockenen Sprung, als er auf die Straße hinausstürzte.
    Der Mercedes war ein wenig schräg zur Fahrtrichtung zum Stehen gekommen. Er schien unbeschädigt, aber was hieß das schon? Metall war härter als Fleisch. Katrin saß auf der Bordsteinkante, keinen Meter vom Kühler des Mercedes

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