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Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Titel: Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Bilder gemacht worden sind, und daraus ziemlich genau die Geschwindigkeit Ihres Wagens errechnen. Die Technik ist da heutzutage ziemlich weit, wissen Sie?«
    Der Mercedes-Fahrer blickte die Kamera an. Jan konnte regelrecht sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Er überlegte, ob Jan nur bluffte oder die Wahrheit sprach.
    »Haben Sie ein Handy in Ihrer Angeberkarre, oder soll ich nach oben gehen und die Polizei für Sie anrufen?« fragte Jan.
    Etwas Unheimliches geschah: Jan konnte in den Augen des Mannes sehen, wie sein Widerstand zerbrach. Er war bereit, aufzugeben und einfach davonzufahren. Aber gerade, als er den Mund öffnete, um etwas zu sagen, huschte wieder dieser unsichtbare Schatten über sein Gesicht, und etwas anderes übernahm die Kontrolle über seinen Willen.
    »Du willst Streit, du Arschloch, wie?« fragte er. »Den kannst du haben.«
    Der Mann schlug so schnell zu, daß Jan den Hieb nicht einmal kommen sah. Er wurde so hart getroffen, daß ihm die Luft wegblieb, stolperte zwei Schritte zurück und prallte gegen Katrins Wagen. Seine lädierten Rippen schienen sich bis zu seinem Rückgrat durchzugraben, und seine Knie wurden weich. Er sah eine kolossale, breitschultrige Gestalt auf sich zu stürmen, hob instinktiv die Arme und blockte den nächsten Schlag durch einen reinen Zufall ab, um den Preis, daß er sich das Handgelenk prellte und die Kamera fallen ließ.
    »Wehr dich!« schrie Vera.
    Jan wehrte sich.
    Er war kein Schläger. Er hatte nicht die geringste Erfahrung darin, sich zu prügeln, und so schlug er auch nicht zurück – was bei diesem Berg von Mann ohnehin keinen Sinn gehabt hätte –, sondern stieß ihm die rechte Hand mit gespreizten Fingern vor die Brust.
    Das Ergebnis war erstaunlich.
    Jan hatte zwar mit aller Kraft zugestoßen, aber aus seiner ungünstigen Position heraus, und ohne Erfahrung konnte der Hieb eigentlich kaum Wirkung zeigen. Trotzdem taumelte der Mann zurück, griff sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an die Brust und wäre wohl zusammengebrochen, wäre er nicht gegen den Kotflügel seines eigenen Wagens gesunken.
    »Hört auf!« schrie Katrin. Ihre Benommenheit war fort. Jan taumelte, und Katrin schien wohl anzunehmen, daß er sich auf den Dicken stürzen wollte, denn sie trat rasch und mit ausgebreiteten Armen zwischen sie und sagte noch einmal: »Aufhören! Bist du wahnsinnig geworden?!«
    »Ich?« murmelte Jan verständnislos. »Aber ich habe mich doch nur –«
    »Du wirst sofort mit diesem Irrsinn aufhören!« herrschte ihn Katrin an. »Was ist nur in dich gefahren? Hast du vollkommen den Verstand verloren?«
    Sie wartete seine Antwort nicht ab, sondern drehte sich zu dem dicken Mann um. »Ist alles in Ordnung?«
    Der Dicke stemmte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht in die Höhe und preßte die linke Hand gegen die Brust. »… keine Luft«, röchelte er.
    »Soll ich einen Arzt rufen?« fragte Katrin.
    Der Mann schüttelte schwach den Kopf. Mit kleinen, unsicheren Schritten umkreiste er seinen Wagen und ließ sich umständlich hinter das Steuer sinken. Katrin trat rasch zur Seite, als er den Motor anließ und davonfuhr. Sie sah ihm kopfschüttelnd nach, dann wandte sie sich mit finsterem Gesicht an Jan. »Das war ein toller Auftritt«, sagte sie. »Fühlst du dich jetzt wie ein richtiger starker Mann?«
    »Er hatte recht, weißt du?« antwortete Jan. »Du bist einfach auf die Straße hinausgerannt. Ich habe es gesehen.«
    Katrin preßte die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen.Aber sie sagte nichts mehr, sondern drehte sich mit einem Ruck um und begann den Inhalt ihrer zerrissenen Plastiktüte einzusammeln.
     
    Er hatte einfach nicht mehr die Kraft gehabt zu protestieren, als Vera ihnen wie selbstverständlich in die Wohnung hinauf gefolgt war. Etwas stimmte hier nicht. Die unheimliche Veränderung, die mit dem Mercedes-Fahrer vonstatten gegangen war; seine eigene, vollkommen atypische Reaktion; Vera, die immer rein zufällig im richtigen Moment zur Stelle war und sich aus irgendeinem Grund nicht scharf fotografieren ließ; sein vollkommen irrwitziges Erlebnis vom vergangenen Abend – das alles hing irgendwie zusammen. Und so verrückt der Gedanke ihm auch selbst vorkam, er war sogar sicher, daß es einen Sinn ergab, wenn er nur in der Lage wäre, das ganze Bild zu sehen statt immer nur einzelne Puzzlestücke.
    Er half Katrin, ihren Einkauf in den verschiedenen Schubladen und Schränken der winzigen Küche zu verstauen, dann zog er sich in die

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