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Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Titel: Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Dunkelkammer zurück. Katrin nahm es mit einem Kopfschütteln, aber wortlos, zur Kenntnis. Vermutlich nahm sie an, daß er einfach seine Ruhe haben wollte und sich in den einzigen Raum der Wohnung verkroch, dessen Tür er mit einem plausiblen Grund abschließen konnte.
    Das stimmte nicht.
    Jans Groll auf Katrin war längst verflogen. Eigentlich war er nie echt gewesen, sondern nur ein Ausdruck seiner Verwirrung. Auch Katrin hatte sich verändert, aber es war nicht ihre Schuld. Irgend etwas ging hier nicht mit rechten Dingen zu, und er würde es beweisen, ihr und vor allem sich selbst.
    Er nahm den Film aus der Kamera, fummelte ihn mit zitternden Fingern in die Entwicklerdose und wartete ungeduldig auf das Schnarren der Eieruhr, die er anstelle eines modernen Zeitgebers benutzte.
    Die fünf Minuten schienen kein Ende zu nehmen. Jan mußte sich beherrschen, um den Film nicht zu früh herauszunehmen, und als er den ersten Negativstreifen in den Projektor einlegte, war er so nervös, daß er das Gerät um ein Haar umgeworfen hätte.
    Er machte eine Reihe Kontaktabzüge, weil er viel zu ungeduldig war, um die Bilder der Reihe nach zu entwickeln, und selbst darauf war der Schatten zu erkennen. Als er damit beginnen wollte, Vergrößerungen anzufertigen, klopfte es an der Tür.
    »Jetzt nicht«, rief er.
    »Es ist aber wichtig«, antwortete Katrin. »Hier ist jemand, der dich sprechen möchte.«
    Jan verdrehte die Augen, schaltete den Projektor aus und legte das Blatt Fotopapier, das er bereits eingelegt hatte, pedantisch in die Schachtel zurück. Es hatte keinen Sinn, jetzt in aller Hast zu arbeiten.
    Wenn er Katrin mit diesen Fotos überzeugen wollte, war es vielleicht nicht so gut, wenn man ihnen ansah, daß sie schlampig entwickelt worden waren.
    Er verließ die Dunkelkammer, ging ins Wohnzimmer und blieb überrascht mitten im Schritt stehen, als er erkannte, wer zusammen mit Katrin am Tisch saß.
    »Dr. Mertens?«
    »Den Doktor ziehe ich immer zusammen mit meinem weißen Kittel aus, bevor ich die Klinik verlasse.« Mertens stand auf und streckte ihm die Hand entgegen. Er lächelte, aber Jan spürte deutlich die Nervosität, die sich hinter diesem Lächeln verbarg. »Guten Abend, Herr Feller. Ich hatte versucht, Sie telefonisch zu erreichen, aber irgendwie hat es nicht funktioniert.«
    »Umgekehrt auch nicht.« Jan griff automatisch nach Mertens’ ausgestreckter Hand und deutete mit der anderen auf den Platz, von dem Mertens sich gerade erst erhoben hatte. »Aberich gebe zu, daß ich heute schwer zu erreichen war. Ich hatte … einen anstrengenden Tag.«
    »Ich weiß«, sagte Mertens betrübt. »Ich habe gehört, was Ihrem Bruder zugestoßen ist. Mein aufrichtiges Beileid.«
    Offensichtlich hatte Katrin wenig Zeit verloren. Jan maß sie mit einem tadelnden Blick, während er sich setzte und darauf wartete, daß auch der Doktor wieder Platz nahm.
    »Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten?« fragte er.
    »Das ist schon organisiert«, antwortete Mertens mit einer Geste auf Katrin. »Ich will Sie auch gar nicht lange aufhalten. Meine Zeit ist leider sehr knapp bemessen. Wie fühlen Sie sich?«
    »Gut«, antwortete Jan – was eine glatte Lüge war. Seine Rippen schmerzten immer noch, und auch sein Auge hatte wieder zu pochen begonnen. Er unterdrückte den Impuls, die Hand danach zu heben, sah aber sehr wohl, daß Mertens die Verletzung kurz und mit Kennerblick musterte. Jan sagte nichts dazu. Er war im Laufe des Tages mehrmals auf die Verletzung angesprochen worden, zweimal allein im Leichenschauhaus und aus beruflichem Interesse der Ärzte heraus, mit denen er gesprochen hatte, ein weiteres Mal von dem Beerdigungsunternehmer. Er hatte die Fragen ebenso ignoriert wie jetzt Mertens’ Blick.
    »Sie sind nur hier, um sich nach meinem Befinden zu erkundigen, oder?« fragte er geradeheraus.
    »Nein«, gestand Mertens. Er unterbrach sich, als Vera hereinkam und ein Tablett mit Kaffee und Gebäck auf dem Tisch stellte. Mertens nickte dankend, würdigte Vera sonderbarerweise jedoch keines Blickes, sondern schenkte sich einen Kaffee ein und löffelte pfundweise Zucker hinein. Während er übertrieben heftig umrührte, fuhr er fort: »Oder doch. Sie sind ja etwas überstürzt gegangen, weshalb ich mich natürlich frage –«
    »Es geht mir gut«, unterbrach ihn Jan, in hörbar rüderemTon als bisher. »Meine Rippen schmerzen noch ein wenig, aber das ist alles. Ich war beim Arzt.« Er sah Mertens eine Sekunden lang an und verbesserte

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