Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel
hatte, aber er wollte keine auch noch so unwahrscheinliche Möglichkeit ausschließen, bevor er den einzigen Verdacht aussprach, der Sinn ergab.
Natürlich waren die Bilder nicht da.
»Was ist denn so wichtig an dem Film?« fragte Katrin. »Was hast du fotografiert?«
»Dich«, antwortete Jan. »Vorhin, unten auf der Straße, vorm Haus.«
»Du machst dir anscheinend in letzter Zeit einen Sport daraus, mich zu fotografieren, ohne mich zu fragen«, sagte Katrin, und Jan antwortete gereizt: »Immerhin warst du angezogen.«
Katrin zog die linke Augenbraue hoch, verkniff sich aber jeden Kommentar. Statt dessen sagte sie noch einmal: »Die Bilder müssen da sein. Außer uns ist schließlich niemand hier, und wir haben weder Haustiere noch Kinder. Und die Heinzelmännchen hat man in unserer Gegend vor über tausend Jahren zuletzt gesehen, glaube ich.«
Jan blieb ernst. »Wir sind nicht allein«, antwortete er mit Nachdruck.
Katrin reagierte wieder genauso, wie er erwartet hatte: Ihre Miene verdüsterte sich. Einen Moment lang preßte sie die Lippen zusammen, als wolle sie auch diesmal nichts sagen, dann überlegte sie es sich jedoch anders. »Vera war nicht hier drin«, sagte sie.
»Woher willst du das wissen? Wir waren die ganze Zeit im Wohnzimmer, mit Mertens, und sie war in der Küche und hat Kaffee gekocht oder sonst was getan.«
»Sie hat Kaffee gekocht«, bestätigte Katrin. »Nicht ›sonstwas getan‹. Ich habe sie die ganze Zeit über im Auge behalten.«
Jan sah sie durchdringend an. Er war sich nicht sicher, ob sie tatsächlich die Wahrheit sagte, und dieser Gedanke erschreckte ihn zutiefst. Ihre Beziehung war alles andere als ideal. Sie waren kein Traumpaar und wußten beide voneinander, daß sie im Grunde mehr Reibungspunkte als Gemeinsamkeiten besaßen. Aber sie hatten sich verdammt noch mal noch nie belogen. Das war eine der unausgesprochenen ehernen Säulen, auf denen ihre Beziehung ruhte: Ehrlichkeit. Und plötzlich zweifelte er an dieser Ehrlichkeit. Er kam sich ziemlich mies dabei vor, aber das half nicht.
»Jemand muß hier gewesen sein«, sagte er noch einmal, leiser, mit nicht annähernd so viel Nachdruck, wie er gewollt hatte, sondern im Gegenteil in fast resignierendem Ton. »Ich habe die Bilder hier liegenlassen.«
Katrin sparte es sich, noch einmal auf die doch immer gleichbleibende Argumentation einzugehen. »Was war denn so Wichtiges darauf?« fragte sie. »Ich meine – den Unsinn, den du diesem armen Kerl da unten erzählt hast, glaubst du doch am Ende nicht etwa selbst, oder?«
»Nein«, antwortete Jan. Dann fiel ihm etwas ein. Er drehte sich fast hastig wieder zum Tisch um, kramte zwei-, drei Sekunden lang hektisch herum und hielt schließlich beinahe triumphierend das Blatt mit den Kontaktabzügen in die Höhe. »Hier!« sagte er. »Die habe ich gemacht, bevor ich die Vergrößerungen machen wollte.«
Er schaltete das Rotlicht aus und die normale Deckenbeleuchtung ein. Katrin blinzelte, um ihre Augen wieder an die plötzliche, unerwartete Helligkeit zu gewöhnen, und Jan nützte die zwei oder drei Sekunden, die auch er dazu brauchte, um eine Schublade zu öffnen und die Lupe herauszunehmen.
Auch unter dem Vergrößerungsglas wurden die winzigen Bildchen nicht viel deutlicher. Immerhin konnte man die Szene vor dem Haus genau erkennen: Katrins Wagen, wie er zurücksetzt und die Parklücke ansteuerte, die schattenhafte Gestalt, die am Straßenrand stand und die sonderbarerweise auch auf der Fotografie nicht viel deutlicher zu erkennen war als vorhin. Er war jetzt nicht mehr sicher, daß es wirklich der sonderbare Fremde vom vergangenen Abend war. Ebensogut hätte es Vera sein können, oder sonstwer. Der Schemen warauf vier oder fünf des guten Dutzends Aufnahmen zu sehen, die er gemacht hatte, bevor Katrin aus dem Wagen stieg und er ihr mit der Kamera folgte, so daß sie sich nicht mehr im Aufnahmebereich der Kamera befand, und er war auf keiner einzigen dieser Aufnahmen deutlicher denn als Schatten zu erkennen.
»Siehst du das?« fragte er.
Katrin nahm ihm die Lupe aus der Hand und beugte sich noch ein Stück weiter vor, als ob diese wenigen Zentimeter einen Unterschied machten. Sie sah ziemlich lange auf das Blatt hinab. Jan beobachtete ihr Gesicht dabei.
Sie gab sich wirklich Mühe. Sie suchte ehrlich nach dem, was ihn auf diesen Fotos offensichtlich so erschreckt hatte, und noch bevor sie antwortete, wußte er, daß sie es nicht gefunden hatte.
»Und?« sagte sie. »Ich
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