Dunkel ist die Sonne
konnten Sloosh während des Marsches füttern. Das Sammeln der Nahrung nahm jedoch ebenfalls geraume Zeit in Anspruch.
„Du bist vollkommen im Irrtum, was den Yawtl betrifft, der mein Seelenei gestohlen haben soll“, erklärte Sloosh. „Wir Archkerris besitzen so etwas nämlich nicht. Die Eier sind nur für die Menschen bestimmt. Ja, sie sind eine alte Entdeckung des Menschen. Ich weiß nicht, wann die Alten die ersten Seeleneierbäume gepflanzt haben, aber sie haben sicher gute Gründe dafür gehabt. Mein Volk trägt einen Kristall, den Vanas Volk Caqghwoonma nennt. Er ist so groß wie dein Kopf, aber viel besser geformt. Er ist ein Prisma inmitten sechs gleicher, rhombischer Flächen. Man kann ihn auch vergraben, da er unter der Erde wächst, im Gegensatz zu den Seeleneierbäumen, von denen der größte Teil über der Erde wächst. Diese Kristalle sind sehr selten, was einer von fünfzehn Gründen ist, weshalb ich im Gebiet von Vanas Stamm danach gesucht habe.“
„Einen Moment“, unterbrach Deyv. „Dein Stamm lebt nicht im gleichen Gebiet wie ihr Volk?“
„Ich habe keinen Stamm. Stämme sind ganz primitive soziale Einheiten, über die wir Archkerris längst hinaus sind. Nein, ich war nur dort, um Nachforschungen anzustellen. Nach längerer Zeit …“
„Nach wie langer Zeit?“
Vana sagte: „Er tauchte auf, als ich noch ein Kind war, kurz nachdem ich entwöhnt wurde. Aber er ging, kurz bevor ich ging. Er konnte keinen einzigen Caqghwoonma finden, und alles andere, was er wissen wollte, hatte er schon erfahren. Was immer das war. Ich glaube …“
„Ungeduld ist das Zeichen eines zurückgebliebenen Geistes“, sagte Sloosh. „Und jemanden während des Sprechens zu unterbrechen ist ein Zeichen von Ungeduld und einem starken Ich. Laßt mich fortfahren. Das kristallene Rhomboeder ist eine Entdeckung meines Volkes. In ihm sind bewegliche Bilder zu sehen. Das sind die Elektroformen der Gedanken der Pflanzenwelt. Wie ihr wißt – ich hoffe jedenfalls, daß ihr es wißt –, haben alle Pflanzen Eindrücke gespeichert, die sie von ihren Vorfahren empfangen haben. Und alle Einheiten der pflanzlichen Welt zusammen bilden einen einzigen Körper. Einen einzigen Geist, sollte ich wohl korrekterweise sagen. Obwohl bislang der Unterschied von Körper und Geist längst nicht befriedigend geklärt wurde.
Aber ich will euch nichts Falsches sagen. Wir Archkerris sind nicht Teil dieses Geistes. Wir sind empfindende Wesen und darum Individuen, wenngleich nicht in dem Sinne, in dem ihr es seid, und zwar deshalb nicht, weil wir Archkerris halb aus Eiweiß bestehen, obwohl wir pflanzlichen Ursprungs sind. Wenn dem nicht so wäre, wären wir genauso unbeweglich wie der Baum dort und genauso abhängig von der Strahlung des Himmels und – aber ich weiche vom Thema ab.
Die Rhomboedra sind unsere Kommunikationsmittel, oder vielleicht sollte ich besser so sagen: Es sind Mittel, um die ‚Gedanken’ oder Eindrücke der pflanzlichen Welt zu empfangen. Wenn wir kommunizieren, muß sie, nämlich die Welt, auch empfindungsfähig sein. Die Kommunikation verläuft in zweierlei Richtungen.“
Was Sloosh da mitteilte, besagte im wesentlichen, daß die Kristalle die ererbten Eindrücke in den pflanzlichen Zellen anzapften und anschließend verarbeiteten. Die Kristalle stellten die visuellen Deutungen vergangener und gegenwärtiger Ereignisse dar.
Deyv war von dieser Enthüllung überwältigt. „Du meinst also, wenn du deinen Kristall jetzt bei dir hättest, dann könntest du uns genau sagen, wo sich der Dieb aufhält?“
„Nicht genau. Aber den ungefähren Aufenthaltsort, das ja.“
„Na gut“, meinte Deyv, „aber wenn dir dieser Kristall so etwas zeigen kann, wieso wußtest du dann nicht, daß der Yawtl darauf aus war, deinen Kristall zu stehlen?“
„Eine ausgezeichnete Frage. Aber wir Archkerris neigen nun einmal dazu, uns in gewissen Problemen zu verstricken, und wenn das geschieht, merken wir oft nicht, was um uns herum vorgeht. Ich habe den Yawtl wohl in meinem Kristall gesehen, aber ich habe ihm keine besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Schließlich kann der Kristall auch nicht die Gedanken der Leute aus Fleisch lesen.
Außerdem bin auch ich unglücklicherweise auf Schlaf angewiesen, und so konnte sich der Yawtl an mich heranschleichen und das Halsband entfernen, an dem mein Kristall befestigt war. Als ich wach wurde, wußte ich natürlich über den Diebstahl bescheid. Das hat mir eine Menge genützt,
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