Dunkel ist die Sonne
fragte nicht, wieso er sich seiner Sache so sicher sein konnte. Obwohl der Pflanzenmensch kein ausg e prägtes Zeitgefühl hatte, schien ihm ein Gefühl für En t fernungen geradezu angeboren zu sein. Deyvs eigene Vorstellung davon war eigentlich eher vage. Ein Vath a kishmikl , eine Meile also, war ein Maß, das sowohl von psychischen wie auch von physischen Faktoren abhing. Wenn man nach einem halben Vathakishmikl ebenso müde war wie nach einem ganzen Vathakishmikl, dann war die eine Strecke genauso lang wie die andere.
Sloosh schätzte, daß sie von der Stelle, an der sie g e rade waren, bis zu der, an der der Yawtl den Fluß verla s sen hatte, etwa vier Ruhezeiten benötigen würden. Das hieß ungefähr fünfzig Meilen. Wenn nicht sogar mehr.
Wie sich herausstellte, dauerte es sechzig Meilen. Was sie aufgehalten hatte, waren die Athmau.
Sie kletterten den Berg hinunter, bauten sich ein Floß mit einem Steuerruder und trieben flußabwärts bis zu der Stelle, an der die Spur des Diebes an Land führte. Der von ihm eingeschlagene Weg brachte sie zu einem Dorf an einem Nebenfluß. Nachdem sie sich daran vorbeig e schlichen hatten, wanderten sie auf einem anderen, wen i ger häufig benutzten Pfade weiter. Zwei Ruhezeiten sp ä ter gelangten sie auf offenes Gelände. Schon lange bevor sie dort angekommen waren, hörten sie einen Lärm, der sie auf der Hut sein ließ.
Vom Dschungel aus entdeckten sie etwas, was ihr I n teresse weckte, ihnen aber auch gefährlich werden konnte.
In der Mitte der Lichtung befand sich ein niedriger, breiter Hügel aus einer zementartigen Substanz ähnlich der, die die Honigkäfer ausschieden. Er war mit zahll o sen kleinen Löchern gesprenkelt. Gerade in diesem M o ment strömten Scharen von Lebewesen aus ihnen heraus, um sich zu verteidigen. Sie stellten einen seltsam bunten Haufen dar; es waren nämlich ameisenartige Tiere daru n ter, etwa dreißig Zentimeter lang und fünfzehn Zentim e ter hoch, die vollkommen von atmenden Röhren bedeckt waren, ferner lange Schlangen und pelzige, zweibeinige Säugetiere. Letztere waren ungefähr sechzig Zentimeter groß und mit Ausnahme ihrer dachsartigen, weißen G e sichter grau. Ihre Pfoten waren breit und mit kurzen, krummen Nägel ausgerüstet. Ihre Zähne sahen aus wie die von Menschen.
Etwa hundert menschliche Krieger, die sämtlich T ü cher aus feuchtem Feigenbast über Nase und Mund tr u gen, waren mit den Hügelwesen in einen Kampf verwi c kelt. Sie besaßen die helle Haut, die dünnen Lippen und das gelbe Kraushaar von Vanas Stamm. Deyv vermutete, daß sie drei verschiedenen Stämmen angehörten, die sich lediglich für den Angriff zusammengetan hatten. Ein Drittel von ihnen trug einen Kopfschmuck aus Federn, ein weiteres Drittel mit Hörnern versehene Pelzmützen und der Rest hohe, kegelförmige Hüte aus geflochtenem Schilf. Alle führten sie Schilde mit den jeweiligen Stammesabzeichen mit sich, und sie kämpften mit Spe e ren, Äxten und Dreschflegeln. Einige trugen Schlingen bei sich, aber diese Krieger blieben so lange hinter den anderen zurück, bis einer von den pelzigen Zweibeinern angegriffen wurde. Dann stürzten auch sie hinzu und warfen die Schlingen über den Gefangenen, fesselten ihn damit und schleppten den sich heftig Wehrenden an den Rand der Lichtung.
„Die Athmau“, sagte Deyv. „Von denen habe ich schon gehört, wenn sie auch weit von meinem Stamme entfernt leben. Mein Großvater hat einmal erzählt, daß er einst einen mitgebracht hat.“
Er bemerkte den moschusartigen Geruch und meinte: „Dieser sonderbare Duft kommt von den Athmau. Wir täten besser daran weiterzuziehen.“
Sloosh war wie gewöhnlich neugierig. „Warum die Gesichtsmasken?“
„Die Athmau geben einen Duft ab, der denjenigen, der ihn einatmet, sehr glücklich aber auch sehr träge macht. Deshalb greifen die Stämme auch an. Sie wollen die Athmau in ihre Dörfer bringen, wo sie sie in Käfige ste c ken und sich an ihnen erfreuen. Der Haken ist nur der, daß sich die Athmau in Gefangenschaft nicht vermehren und daß sie zu schnell sterben.“
Etwa zehn der kleinen Tiere lagen nebeneinander in den Schlingen; fünf der Krieger hielten bei ihnen Wache. Ihre Häscher aber hatten für sie bezahlt. Die Giftschla n gen hatten vier Männer niedergestreckt, und die langen Kiefer der Ameisengeschöpfe hatten sechs schwer ve r wundet und drei getötet. Und die Athmau mit ihren Klauen hatten fünf zu Boden geworfen und zerrissen.
„Warum bleiben
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