Dunkel ueber Longmont
einen Grund, den Borenson nicht erkannte.
Er wandte sich ab. »Sie sind vor einer Stunde losgeritten. Wir sind allein hier.« Dies war nicht die Zeit für lange Plaudereien.
Er holte seine Waffen von dem toten Pferd, schnallte sie auf das Schlachtroß des Feindes und stieg auf.
Sie hasteten durch die verkohlten Wälder hinunter zur Straße, folgten dieser dann im Galopp über einen verbrannten Hügel nach dem anderen, bis sie vor sich ein paar grüne Bäume sahen, die Schutz verhießen.
Neben einem gurgelnden Bach am Rand des Waldes ließ Gaborn haltmachen. Auch ein Kraftpferd, dem man Runen der Macht in Hals und Brust gebrannt hatte, mußte hin und wieder Atem schöpfen und etwas trinken.
Außerdem lag ein Soldat des Hauses Orden im Gras am Ufer des Baches. Aus dem blutenden Hals des Soldaten ragte der schwarze Speer eines Nomen. Eine schauerliche Mahnung, daß die kleine Gruppe zwar bald den Wald erreicht haben würde, aber noch immer nicht in Sicherheit war.
Es stimmte, Borenson und seine Männer hatten den ganzen Vormittag Jagd auf Nomen gemacht und den Trupp auseinandergetrieben. Aber Nomen waren gerissene nachtaktive Jäger und kämpften gewöhnlich in kleinen Gruppen. Es gab also bestimmt noch welche hier in den Wäldern, die sich in den Schatten versteckten und umherstreiften.
Während die Pferde tranken, stieg Gaborn ab und untersuchte die Leiche des Soldaten. Er klappte das Visier des Mannes auf.
»Torin. Der arme Kerl«, brummte Borenson. Er war ein guter Soldat gewesen, außerordentlich geschickt mit dem Morgenstern.
Torin trug die übliche Kleidung eines Kriegers aus Mystarria, einen schwarzen Kettenpanzer über einem Wams aus Schaffell. Ein dunkelblauer Wappenrock über dem Kettenpanzer trug das Wappen von Mystarria, den grünen Ritter – das Gesicht eines Mannes mit Blättern anstelle von Haar. Gaborn zeichnete die Umrisse des grünen Ritters auf Torins Wappenrock nach. »Wundervolle Farben«, meinte Gaborn leise. »Die schönsten, die ein Mann tragen kann.« Er ging daran, die Leiche auszuziehen. »Das ist schon die zweite, die ich heute fleddern muß«, beklagte er sich, keineswegs erfreut über die Aussicht.
»Ihr verleiht dem Gewerbe neue Würde, mein Lord«, sagte Borenson, der nicht über das Problem sprechen wollte, das ihn beschäftigte. Er betrachtete Iome und spürte das Entsetzen in ihrer Körperhaltung.
Sie wußte, was er zu tun hatte. Sogar sie wußte Bescheid.
Gaborn aber schien es nicht zu bemerken. War er verrückt?
Oder einfach nur unreif? Wie kam er darauf, Raj Ahten mit einer Frau und einem Idioten in seiner Obhut entkommen zu können? Selbst die besten Pferde nützten gar nichts, wenn man sie nicht reiten konnte – und Sylvarresta war dazu ganz offenkundig nicht imstande.
»Wo ist mein Vater?« fragte er, während er den Toten weiter entkleidete.
»Könnt Ihr Euch das nicht denken?« erwiderte Gaborn, der auf die Frage nicht vorbereitet war. »In diesem Augenblick, würde ich sagen, befindet er sich fünfzig Meilen von Longmot entfernt und hofft, bis kurz vor Einbruch der Dämmerung dort einzutreffen. Raj Ahten hat dort vierzigtausend Zwingeisen auf Gut Bredsfor vergraben. Wißt Ihr, wo das ist?«
Gaborn schüttelte den Kopf.
»Drei Meilen südlich der Burg«, erklärte Borenson. »Ein graues Gebäude mit einem Dach aus Blei und zwei Seitenflügeln. Wir haben eine Nachricht von Herzogin Laren abgefangen, in der es heißt, Raj Ahten erwartet, daß eine Armee Longmot innerhalb von ein, zwei Tagen erreicht. Euer Vater hofft, vor ihm bei dem Schatz zu sein.«
»Weiß Raj Ahten das?« fragte Gaborn, der gerade den Kettenpanzer von der Leiche gelöst hatte. »Deswegen bricht er auf? Um die Zwingeisen wieder in seinen Besitz zu bringen?«
Gaborn hielt das offenkundig für tollkühn. Verärgert schnürte er den Wams des Toten auf. Borenson fragte sich, was den Mann beschäftigte. Begriff er nicht, daß Sylvarresta erschlagen werden mußte? Was ging bloß im Kopf des Jungen vor?
»Euer Vater hatte gehofft, den Wolflord davon überzeugen zu können, daß Longmot vor zwei Tagen eingenommen wurde«, berichtete Borenson, »und daß er seitdem Tag und Nacht Gaben übernommen hat.«
»Ein verzweifeltes Täuschungsmanöver«, sagte der Prinz, der das Wams aus Schafsfell inspizierte und peinlich genau auf Flöhe und Läuse untersuchte. Aber falls Torin unter Flöhen gelitten hatte, dann wären sie bei Erkalten der Leiche alle davongehüpft.
Gaborn zog das Wams über und legte
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