Dunkel ueber Longmont
überlegte er. Vielleicht gab es heiße Quellen in der Nähe, und der Nebel stammte von dort.
Gaborn gab seinem Pferd die Sporen, trieb es weiter voran, eine weitere halbe Meile vorbei an den Wiesen, und der Dunst wurde zunehmend dichter, bis die Sonne am Himmel nur ein einzelnes gelbes Auge war, das durch den Schleier blinzelte.
Krähen schrien in den einsamen Eichen.
Eine Meile weiter vorn erblickte Gaborn im Nebel ein graues Haus. Eine junge Frau mit Haaren, die wie Stroh abstanden, hackte davor Holz. Sie sah auf. Von weitem wirkte ihre Haut so rauh wie grobes Leinen, ihr Gesicht derb und knochig, ihre Augen gelb und kränklich. Es war eine der Schwestern, die Myrrima ihre Schönheit abgetreten hatten.
Er gab seinem Hengst die Sporen und rief der Frau etwas zu.
Sie erschrak und hob den Arm, um ihr Gesicht zu verbergen.
Gaborn ritt zu ihr hin und blickte mitleidvoll auf sie herab.
»Du brauchst dich nicht zu verstecken. Wer sich herabwürdigt, um einen anderen zu erhöhen, ist es wert, geehrt zu werden. Hinter einem häßlichen Gesicht verbirgt sich oft ein gutes Herz.«
»Myrrima ist drinnen«, murmelte das Mädchen. Sie floh ins Haus. Borenson kam rasch heraus, Myrrima am Arm. »Ein wunderschöner Herbsttag«, meinte Gaborn lächelnd zu Borenson. »Der Wind riecht nach von der Sonne ausgedörrten Weizenfeldern, nach Herbstlaub und… Verrat.«
Borenson betrachtete verwirrt den Nebel. »Ich dachte, es zögen Wolken auf«, sagte er. »Ich hatte keine Ahnung…«
Durch die Pergamentfenster des Hauses hatte er den Dunst kaum erkennen können. Er sog prüfend die Luft ein. Auch Borenson verfügte über einige Gaben. Sein Geruchssinn war schärfer als Gaborns. »Riesen. Frowth-Riesen.«
Er fragte Myrrima: »Gibt es hier viele Riesen?«
»Nein«, meinte sie überrascht. »Ich habe noch nie einen gesehen.«
»Also, ich kann sie riechen. Und zwar viele«, sagte Borenson.
Er sah Gaborn in die Augen. Sie wußten beide, daß etwas Seltsames im Gange war. Gaborn war Stunden vor der verabredeten Zeit gekommen.
Gaborn meinte leise: »In der Stadt sind Meuchelmörder eingetroffen, Muyyatiner. Wenigstens zehn von ihnen sind auf der Straße nach Norden zur Burg Sylvarresta unterwegs, aber auf meinem Weg hierher habe ich keinen gesehen. Wir müssen uns darum kümmern.«
»Ich werde mich darum kümmern«, widersprach Borenson.
Gut möglich, daß jemand König Orden eine Falle stellen wollte, denn dessen Gefolge würde morgen die Stadt passieren.
»Wäre ich bei Euch nicht sicherer?« fragte Gaborn.
Borenson überlegte einen Augenblick und nickte. Er war gerade dabei, sein Pferd hinter dem Haus hervorzuholen, als der Days durch den Dunst angeritten kam.
»Wir sind in Kürze zurück«, erklärte Gaborn Myrrima, dann gab er seinem Hengst die Sporen und ritt hinaus auf die Wiese hinter dem Haus. Ihm war nicht wohl dabei, sie allein zurückzulassen, solange Riesen in der Nähe waren. Aber bei ihm und Borenson wäre sie mit Sicherheit größerer Gefahr ausgesetzt.
Eine leichte Brise wehte stöhnend von Norden und trieb den Dunst immer näher. Sie ritten über grüne Wiesen darauf zu.
Der Fluß wand sich nach Westen, und schon bald befanden sie sich am Ufer des Dwindell und ritten einen Heupfad entlang.
Längs des Flusses wurde der unnatürliche Nebel dichter, quoll zu einer gewaltigen Wolke auf und machte alles dunkel, so dunkel, daß die Schwalben aufhörten, kurz ins Wasser einzutauchen, während statt dessen ein paar Fledermäuse bereits auf Insektenjagd gingen. Glühwürmchen stoben wie grüne Funken aus dem Gestrüpp hervor. Das Gras entlang des Flusses war saftig und üppig, aber kurz geschnitten.
Überall in der Gegend hier, in den Auen, hatten die Farmer Heu gemacht. Die Heuhaufen längs des Ufers ragten wie große Felsen aus dem Meer des Nebels hervor, und jedesmal, wenn Gaborn einen aus dem Dunst auftauchen sah, fragte er sich, ob es ein Riese war oder ein Riese sich dahinter verbarg.
Jetzt konnte auch Gaborn die Riesen riechen. Ihr fettiges Haar roch bitter, der Geruch von Moschus und Kot auf ihrer Haut war durchdringend. Schimmel und Flechten wuchsen auf ihren alternden Körpern.
Bis vor einhundertzwanzig Jahren hatte kein Mensch in ganz Rofehavan etwas von Riesen gehört. Dann, eines Winters, war ein Stamm von vierhundert der gewaltigen Kreaturen über das Eis im Norden gekommen – kampfzerschunden, furchteinflößend. Viele von ihnen verwundet.
Die Frowth hatten nie gelernt, sich mit Menschen zu
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