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Dunkel ueber Longmont

Dunkel ueber Longmont

Titel: Dunkel ueber Longmont Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Farland
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vor als auch hinter Raj Ahtens Armee. Gaborn hatte nicht die Absicht, als Silhouette im Nebel ein Übungsziel für einen Bogenschützen abzugeben.
    Er verfiel in einen leichten Trab, ein Tempo, das er tagelang durchhalten konnte. In dem unnatürlichen Nebel war es auf den Feldern seltsam still.
    Feldmäuse huschten davon, wenn er sich näherte, eine einsame Krähe schrie auf einer Eiche. Ein Schwarm Spatzen flog auf. Irgendwo im Wald brüllte eine Kuh, die gemolken werden wollte.
    Eine ganze Weile hörte er im Laufen nichts als das trockene Rascheln des sich biegenden Grases und das gedämpfte Stampfen der Hufe seines Pferdes.
    Während er in nördlicher Richtung über die Stoppelfelder lief, machte er eine persönliche Bestandsaufnahme. Für einen Runenlord war er nicht mächtig. Er hatte das nie gewollt. Er konnte die Schuld nicht ertragen, den Preis an menschlichem Leid, den er hätte auf sich laden müssen, um Macht zu gewinnen.
    Kurz nach seiner Geburt jedoch hatte sein Vater damit begonnen. Gaben für ihn zu erstehen: zwei Gaben der Geisteskraft,
    zwei
    der
    Muskelkraft,
    drei
    des
    Durchhaltevermögens und drei des Reizes. Er besaß die Augen von zweien, die Ohren von dreien. Fünf Gaben der Stimme, zwei der Anmut.
    Kein mächtiger Mann. Ein Schwächling im Vergleich zu Raj Ahtens »Unbesiegbaren«. Er hatte keine Gabe des Stoffwechsels. Er trug keine Rüstung. Allerdings weder eine, die ihn schützte, noch eine, die ihn behinderte.
    Nein, Gaborn konnte sich nur auf seine Verschlagenheit, seinen Mut und die Schnelligkeit seines Hengstes verlassen.
    Er kam an zwei weiteren Häusern vorbei, deren Bewohner getötet worden waren. Beim ersten hielt er an einem Garten an, ließ das Pferd Äpfel von einem Baum fressen und steckte ein paar für sich selbst ein.
    Ein Stück hinter dem letzten Haus endeten die Felder an einem Wald aus Eschen, Eichen und Ahornbäumen. Die Grenze zum Dunnwald. Das Laub der Bäume war matt, wie stets im Spätsommer, doch so weit unten im Tal hatte es sich noch nicht verfärbt.
    Dem Feldrain folgend witterte er jetzt den Geruch von Leder, von scharf gerittenen Pferden, von geölten Rüstungen. Bislang hatte er niemanden zu Gesicht bekommen.
    Gaborn entdeckte einen Weg für die Karren der Holzarbeiter, der in den Wald führte. Bei den ersten Bäumen hielt er an, um den Sattelgurt nachzuziehen und sich so auf einen scharfen Ritt vorzubereiten, als plötzlich Äste knackten.
    Gleich hinter dem Waldrand stand ein Frowth-Riese. Das gewaltige Wesen mit bräunlich-gelbem Fell starrte ihn mit aufgerissenen silbrigen Augen an, blinzelte in den Dunst, vielleicht unsicher, ob Gaborn Freund war oder Feind.
    Die Sonne stand schräg über dem Wald und warf Balken goldenen Lichts in das Gesicht des Riesen.
    Der Riese war zwanzig Fuß groß und acht Fuß breit in den Schultern. Ein Kettenpanzer bedeckte sein dichtes Fell. Als Waffe trug er einen großen Eichenstamm, der von Eisenringen verstärkt wurde. Seine Schnauze war langer als die eines Pferdes, sein Mund voller spitzer Zähne. Das Aussehen der Frowth-Riesen hatte nichts Menschliches an sich.
    Der Riese zuckte mit einem kleinen, runden Ohr und entledigte sich auf diese Weise einer Stechmücke. Dann drückte er einen Baum zur Seite und beugte sich blinzelnd vor.
    Gaborn war klug genug, sich nicht hastig zu bewegen. Täte er das, würde der Riese ihn als Feind betrachten. Die Tatsache, daß der Riese nicht längst angegriffen hatte, verriet Gaborn etwas – die Kundschafter waren gekleidet wie er, trugen dunkle Umhänge und ritten Kraftpferde.
    Der Riese wollte bloß an Gaborn schnuppern und feststellen, ob er Freund war oder Feind. Gaborn roch weder nach Curry, Olivenöl oder Baumwolle wie die anderen Soldaten aus Raj Ahtens Streitkräften.
    So oder so, im nächsten Augenblick würde sich sein riesiges Gegenüber auf ihn stürzen.
    Gaborn wollte einen Schlag anbringen, doch einen so dicken Kettenpanzer konnte er mit einem Schwert nicht durchdringen. Er durfte sich mit dem Ungeheuer nicht auf einen Kampf mit gezogener Waffe einlassen. Durfte nicht zulassen, daß es einen Warnruf ausstieß. Ein Pfeil würde die Bestie auf der Stelle töten.
    Nein, Gaborns beste Möglichkeit bestand darin, den Riesen nahe herankommen und sich bücken zu lassen, um ihn zu beschnuppern, damit Gaborn seinen Degen ziehen und der Bestie die Kehle aufschlitzen konnte. Schnell und lautlos.
    Er ließ die Zügel des Pferdes los, als der Riese näherkam, und ließ den Bogen

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