Dunkel ueber Longmont
Schluck, um seinen Mut zu stärken.
Der Days fuhr fort: »Um ganz ehrlich zu sein, keiner Eurer Freunde ist ein sehr guter Mensch, Euer Lordschaft. Ihr schätzt Rechtschaffenheit bei Euren Freunden nicht.«
»Was soll das heißen?« hakte Gaborn sofort nach. Er hatte immer angenommen, seine Freunde verfügten über ein hinnehmbares Maß an Rechtschaffenheit.
»Ganz einfach, Euer Lordschaft«, meinte der Days. »Manche Männer wählen ihre Freunde dem Aussehen nach aus, andere nach Reichtum oder politischem Standpunkt, wieder andere nach gemeinsamen Interessen. Einige wählen Freunde nach ihrer Rechtschaffenheit. Ihr jedoch bewertet solche Eigenschaften nicht sehr hoch.«
Es stimmte, Gaborn hatte Freunde unter den Häßlichen und Machtlosen. Sein engster Freund, Eldon Parris, verkaufte gebratene Kaninchen auf einem öffentlichen Markt. Außerdem trieb sich Gaborn oft in der Gesellschaft von Menschen herum, die man vielleicht noch am besten als Schurken bezeichnete.
»Wonach suche ich also meine Freunde aus?« wollte Gaborn wissen.
»Weil Ihr jung seid, bewertet Ihr Männer nach ihrem Einblick in das Herz der Menschen, Euer Lordschaft.«
Diese Bemerkung traf Gaborn wie ein Windstoß von einem zugefrorenem See. Sie war verblüffend, erfrischend ehrlich, und, natürlich, offenkundig wahr.
»Mir war nie aufgefallen…«
Der Days lachte. »Das ist einer der sieben Schlüssel zum Verständnis von Beweggründen. Ich fürchte, junger Meister Gaborn, Ihr seid bei der Wahl von Freunden erbärmlich schlecht. Hah! Manchmal stelle ich mir vor, wie es sein wird, wenn Ihr König seid: Ihr werdet Euch mit Exzentrikern umgeben und mit Gelehrten. Sie werden Euch im Handumdrehen dazu gebracht haben, Knoblauchrätsel zu Rate zu ziehen und spitze Schuhe zu tragen! Hah!«
»Sieben Schlüssel? Woher habt Ihr dieses Wissen?« fragte Gaborn.
»Aus dem Saal der Träume«, antwortete der Days. Dann fuhr er plötzlich auf. Er hatte seinen Fehler bemerkt.
Im Haus des Verstehens war der Saal der Träume für Runenlords verboten. Die Geheimnisse, die man dort über die Sehnsüchte und Beweggründe der Menschen erfuhr, wurden von den Gelehrten als zu mächtig erachtet, um sie in die Hände eines Königs zu legen.
Gaborn lächelte triumphierend über diese kleine Pikanterie und erhob sein Glas zu einem Trinkspruch. »Auf die Träume!«
Der Days jedoch wollte nicht mit ihm anstoßen. Aller Wahrscheinlichkeit nach würde der Mann nie wieder in Gaborns Gegenwart trinken.
Aus einer fernen Ecke des Raumes kam eine rattenähnliche Ferrinfrau hervor, in der Hand eines ihrer kleinen Jungtiere.
Der Kleine quiekte mit seinem dünnen Stimmchen, doch der Days hörte es nicht. Er besaß nicht Gaborns scharfes Gehör.
Alle sechs Brustwarzen der Ferrinfrau waren rot und geschwollen, und um die Schultern hatte sie einen gelben Lumpen gebunden. Sie maß gerade mal einen Fuß, und die Plumpheit ihres Gesichts wurde durch die dicken Wangen noch unterstrichen. Watschelnd näherte sie sich, vom Tageslicht fast geblendet, von hinten dem Days und stopfte ihm das Junge in die Jackentasche.
Die Ferrin waren kein intelligentes Volk. Sie besaßen eine Art Sprache, benutzten ein paar grobe Werkzeuge. Die meisten Menschen betrachteten sie als Ungeziefer. Beharrlich buddelten sich die Ferrin zu den Häusern durch und stahlen Lebensmittel.
Gaborn hatte gehört, bei einer Ferrinfrau sei es üblich, daß sie ihre Jungen auf diese Weise entwöhnte indem sie ein Gasthaus fand und das Kleine in der Tasche eines Fremden fortschickte. Aber mit eigenen Augen hatte er es noch nie gesehen.
So mancher Mann hätte seinen Dolch nach der Ferrin geworfen. Gaborn lächelte höflich und wendete den Blick ab.
Gut dachte er, soll der Kleine doch den Futterstoff aus der Jacke des Historikers fressen.
Er wartete, bis die Ferrin fertig war. »Und was ist mit mir?«
fragte Gaborn den betrunkenen Days. »Bin ich ein guter Mann?«
»Ihr, Euer Lordschaft, seid eine Seele der Rechtschaffenheit!«
Gaborn schmunzelte. Eine andere Antwort konnte er nicht erwarten. Im Hintergrund des Schankraumes begann ein inkarrischer Sänger, in die Saiten seiner Mandoline zu schlagen und für das Publikum zu üben, das sich später einfinden würde. Gaborn hatte nur selten einen Inkarrer spielen sehen, denn sein Vater ließ sie nicht über die Grenze, daher fand er jetzt Gefallen an der Ablenkung.
Die Haut des Mannes war so hell wie Sahne, sein Haar fiel wie flüssiges Silber herab. Seine Augen
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