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Dunkel ueber Longmont

Dunkel ueber Longmont

Titel: Dunkel ueber Longmont Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Farland
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Soldaten. Ich werde nicht verraten, daß ich hier bin. Nicht bevor mein Vater eintrifft. Wenn man der Geschichte trauen darf, dann könnte dies eine lange Belagerung werden. Burg Sylvarresta ist seit achthundert Jahren nicht gefallen. Ihr braucht aber nur drei Tage auszuhalten – höchstens. Nur drei Tage!«
    Prinz Orden klang zuversichtlich. Sie wollte ihm glauben, wollte seine Gewißheit teilen, daß die vereinten Kräfte der Männer ihres Vaters und der Soldaten von König Orden in der Lage wären, die Riesen und Zauberer von Raj Ahten zur Umkehr zu zwingen. Orden würde ein großes Geschrei anstimmen und bei seinem Eintreffen die Lords von Heredon lauthals um Hilfe bitten.
    Trotz der fünfzig Fuß hohen Außenmauern der Burg, trotz der Tiefe des Grabens von Burg Sylvarresta, trotz der Bogenschützen und der Katapulte auf den Mauern und den in den grasbewachsenen Feldern versteckten Fußangeln schien ein Sieg über Raj Ahten mehr, als man erhoffen durfte. »König Orden ist ein pragmatischer Mann. Wird er überhaupt kommen? Sicher wird er sein Leben nicht für die Verteidigung von Burg Sylvarresta verschwenden wollen!«
    Gaborn fühlte sich durch ihren Ton gekränkt. »Er mag in einigen Dingen pragmatisch sein, aber nicht, wenn es um Freundschaft geht. Außerdem ist es richtig, hierzu kämpfen.«
    Iome dachte nach. »Verstehe… Natürlich, warum sollte Euer Vater zu Hause kämpfen und zusehen, wie sein eigenes Volk verblutet und stirbt und wie die Mauern seiner eigenen Burg in Stücke fallen, wenn er sich ebensogut hier verteidigen kann?«
    Fast hätte Gaborn knurrig geantwortet: »Mein Vater kommt seit fünfzehn Jahren zum Hostenfest hierher. Er hätte auch zu Hause feiern können – oder sonstwo – , aber er kommt hierher! Mag sein, daß mein Vater aus politischen Gründen andere Könige besucht, aber als seinen ›Freund‹ bezeichnet er nur einen.«
    Iome hatte nur eine vage Vorstellung, was andere Könige über ihren Vater dachten. Bestimmt nichts Gutes. »Ein weichherziger Narr«, so wurde er genannt. Als Eidgebundener Lord hatte er geschworen, niemals Gaben aus seinem eigenen Volk anzunehmen, es sei denn, sie wurden ihm freiwillig abgetreten. Er hätte sich Gaben erkaufen können so mancher wäre bereit, die Verwendung seiner Stimme oder seiner Augen zu verkaufen. Aber Sylvarresta wollte sich nicht dazu herablassen, sie zu bezahlen. Natürlich käme ihr Vater nie auf die Idee, den Menschen Gaben mit Gewalt oder durch Erpressung zu stehlen. Er war kein Wolflord, kein Raj Ahten.
    Gaborns Vater dagegen war ein Pragmatiker, der Gaben kaufte. Iome erschien er sogar ein wenig mehr zu sein als nur pragmatisch. Er wirkte zwielichtig. Er war zu erfolgreich darin, das Vertrauen minderer Männer zu gewinnen. Er kaufte Gaben viel zu billig und viel zu oft. Iome wußte trotzdem, daß Orden kein Raj Ahten war. Er hatte niemals »das Geschenk eines Bauern« erzwungen, indem er die Muskelkraft des armen Mannes anstelle ausstehender Steuern eintrieb. Und nie hatte er die Liebe eines jungen Mädchens gewonnen und sie dann gebeten, ihm sowohl eine Gabe als auch ihr Herz zu schenken.
    »Verzeiht«, sagte Iome, »meine Ungerechtigkeit. Ich bin überreizt. Stets war er ein guter Freund und seinem Volk ein anständiger König. Trotzdem werde ich die Angst nicht los, daß Euer Vater Heredon als Schild mißbrauchen könnte. Und wenn wir unter Raj Ahtens Schlag zusammenbrechen, wird er uns fallenlassen und vom Schlachtfeld fliehen. Zumindest wäre das klug.«
    »Dann kennt Ihr meinen Vater nicht«, widersprach Gaborn.
    Seine Stimme klang so voll, so wohltönend selbstsicher, daß Iome sich fragte, wie viele Gaben der Stimme Gaborn besaß.
    Wie viele Stumme stehen in Euren Diensten? hätte sie beinahe gefragt, überzeugt, daß es sich wenigstens um ein Dutzend handelte.
    »Euer Vater wird sein Leben nicht für unsere Verteidigung fortwerfen. So dumm könnt Ihr unmöglich sein.« Gaborn gab gekränkt zurück: »Er wird tun, was er tun muß.«
    »Ich wünschte, es wäre nicht so«, meinte Iome leise. Fast gegen ihren Willen warf sie einen flüchtigen Blick hinunter in den Bergfried der Übereigner. Drüben vor der gegenüberliegenden Mauer standen die übelriechenden Idioten ihres Vaters. Eine Frau, deren Gehirn so jeder Geisteskraft beraubt war, daß sie ihren Darm nicht mehr unter Kontrolle hatte, wurde von einem Blinden zum Speisesaal geführt. Zusammen wankten die beiden um einen Burschen herum, dessen Stoffwechsel so langsam

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