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Dunkel ueber Longmont

Dunkel ueber Longmont

Titel: Dunkel ueber Longmont Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Farland
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empfangen und konnte recht gut im Dunkeln sehen, aber so etwas hatte er sich nie träumen lassen: In einem einzigen Moment schien der Kräutersammler ein weiteres halbes Dutzend Gaben hinzugefügt zu haben. Doch Gaborn merkte, daß er nicht wirklich mehr Licht sah. Statt dessen war ihm, wenn er etwas anschaute, das er sonst vielleicht erst nach minutenlangem Blinzeln und genauem Hinsehen im Dunkeln erkannt hätte, als verspüre er keinerlei Anstrengung, sondern könne Formen und Farben sofort unterscheiden.
    Er blickte zum Wald hinüber und entdeckte dort eine dunkle Gestalt – einen Mann, der sich zwischen den Bäumen versteckte. Ein großer Mann in voller Rüstung. Kräftig. Ohne den Augentrost hätte er den Mann überhaupt nicht gesehen.
    Er fragte sich, was der Kerl wohl machte, und doch wußte er…
    daß er dort hingehörte.
    Nachdem Binnesman das Kraut der Küchenmagd verabreicht hatte, trug er ihr leise auf: »Steck dir diesen Stengel in die Tasche. Vielleicht mußt du noch vor dem Morgengrauen frischen Saft auftragen.«
    Jetzt erkannte Gaborn, daß der Kräutersammler nicht einfach nur hatte plaudern wollen, als er sich nach ihrem Befinden erkundigt hatte, daß sich dieser Zauberer vielleicht nie zu müßigen Plaudereien herabließ. Er bereitete Gaborn und die Magd auf ihre Flucht in der Dunkelheit vor. Das Verreiben von Blättern auf der Haut würde seinen Geruch verändern und die Verfolger abschütteln. Andere Kräuter würden seine Fähigkeiten verbessern.
    Das alles dauerte weniger als drei Minuten, und mehrmals setzte der Kräutersammler zu noch eindringlicheren Fragen an. An die Magd gerichtet erkundigte er sich: »Und, wie müde bist du jetzt? Schlägt dein Herz zu schnell nach dem Borretsch? Ich könnte dir Schädelkapp geben, aber ich möchte dich nicht überfordern.« Und manchmal sprach er schnell und gab Gaborn Befehle. »Bewahrt diese Mohnsamen in der Tasche auf und kaut sie, wenn Ihr verwundet seid. Das wird den Schmerz betäuben.«
    Daraufhin brachte er sie zum Waldrand, wo drei dunkle Bäume mit knorrigen Ästen in die Höhe ragten wie große Tiere mit astdürren Fingern und moosbewachsenen Gliedern und eine dunkle Höhle bildeten, die eine kleine Lichtung umschloß. Gaborn fühlte sich hier bedrückt und beengt.
    Irgendwie überkam ihn in der Nähe der Bäume das Gefühl, als solle er beobachtet und abgeurteilt und wenig später fortgeschickt werden. Die Erde umgab ihn hier überall, das spürte er im Boden unter seinen Füßen, in den Bäumen, die ihn umstanden und fast verdeckten. Er roch sie im Boden, im Humus des Laubs, in den lebenden Bäumen.
    Auf der Lichtung, zwischen den vielen kleinen Sträuchern, die sich auf der kleinen Erhebung dicht drängten, blieb Binnesman stehen. »Hier haben wir Gartenraute«, sagte er. »In der Dämmerung geerntet ist es von einigem medizinischen und kulinarischen Wert, wenn man es aber gleich nach der Hitze des Tages erntet, ist es ein starkes Reizmittel: wenn Euch die Jäger aus dem Windschatten angreifen, Gaborn, werft es ihnen in die Augen oder in die Flammen – der Rauch eines solchen Feuers ist höchst gefährlich.«
    Gaborn traute sich nicht, es anzufassen. Er brauchte sich den Büschen bloß zu nähern, da fühlte er Beklemmung in der Brust, und seine Augen tränten. Binnesman jedoch ging zu einem niedrigen Strauch, an dem ein paar welke, gelbe Blüten hingen. Er zupfte ein paar Blätter ab, ohne Schaden davonzutragen.
    Die Küchenmagd wagte sich ebenfalls nicht nah heran.
    Obwohl sie nichts spürte, war sie vorsichtig geworden.
    Der Kräutersammler drehte sich zu Gaborn um und meinte leise: »Ihr braucht Euch nicht davor zu fürchten.«
    Aber Gaborn wußte es besser.
    Binnesman langte zum Boden hinunter. »Hier.« Er hob etwas fette, lehmige Erde auf und legte sie Gaborn in die Hand.
    »Ich möchte, daß Ihr eine Verpflichtung eingeht«, sagte Binnesman in jenem besonderen Tonfall, der Gaborn verriet, daß dies ernst war, daß viel von seiner Antwort abhing. Er betonte jedes Wort ernst und feierlich, fast wie einen Sprechgesang.
    All die Geschehnisse hatten Gaborn benommen gemacht und eingeschüchtert. Jetzt, da er die Erde in die Hand nahm, kam es ihm fast so vor, als ginge ein heftiger Ruck durch den Boden unter seinen Füßen. Plötzlich war er so müde. Die Erde lag enorm schwer in seiner Hand, so als enthielte sie versteckte Steine von gewaltigem Gewicht.
    Der Zauberer hat recht, dachte Gaborn. Das ist kein gewöhnlicher Boden.
    »Sprecht

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