Dunkel ueber Longmont
versuchen, zu verstehen, was ich will, zu erkennen, wie du der Erde am besten dienst.«
»In welcher Eigenschaft?« fragte Gaborn, der genauer wissen wollte, was der Erdgeist wünschte.
Tumultartiger Lärm. Binnesman runzelte nachdenklich die Stirn, während er nach Worten suchte. »…Da du mich nicht verstehen kannst«, antwortete der Erdgeist, »kann ich dich auch nicht verstehen. Doch soviel weiß ich: du liebst dein Volk, du setzt dich für sein Wohlergehen ein. Du bist bestrebt, Menschen zu retten. Es gab einmal eine Zeit, als die Feuerfrau den Erdgeist liebte, und die Sonne rückte näher an mich heran.
Diese Zeit ist vergangen. In diesen dunklen Zeiten also muß ich andere rufen, für meine Sachen zu streiten. Ich bitte dich, einen kläglichen Rest der Menschheit zu retten.«
Gaborn pochte das Herz. »Retten? Wovor?«
Ein Zischen wurden zwischen den Bäumen laut. »Vor dem Feuer. Die ganze Natur ist aus dem Gleichgewicht geraten.
Das, was du ›die Erste Kraft‹ nennst, wurde vor langer Zeit zurückgezogen, doch jetzt wird sie wieder erwachen und todbringend über die Welt hinwegfegen. Es liegt in der Natur des Feuers, ständig nach Nahrung zu suchen und zu wachsen.
Es wird viel Zerstörung anrichten.«
Gaborn hatte genug über Zauberei gelernt, um zu wissen, daß sich zwar alle Kräfte verbanden, um Leben zu erzeugen, das Bündnis der Kräfte jedoch brüchig war, da verschiedene Kräfte verschiedene Formen des Lebens bevorzugten. Die Luft liebte Vögel, während das Wasser Fische liebte, die Erde liebte Pflanzen und die Wesen, die über ihr Antlitz krabbelten. Das Feuer schien ausschließlich Schlangen zu lieben und die Geschöpfe der Unterwelt. Luft und Feuer waren instabil. Die Erde selbst war ein Beschützer und verband sich mit dem Wasser, um die Natur zu hüten.
Sofort folgerte Gaborn: Ich bin ein Runenlord, Prinz von Mystarria – eines Volkes, dessen Stärke in der Magie des Wassers liegt und ich liebe das Land. Deshalb versucht der Erdgeist, mich zu seinem Verbündeten zu machen.
»Du erbittest meine Hilfe«, sagte Gaborn, »und nur ein Narr würde sich weigern, deine Bitte abzulehnen. Du willst, daß ich jemanden rette, und das will ich auch gerne tun. Aber was bietest du mir dafür?«
Felsbrocken polterten, und in der Nähe entwich Dampf aus dem Boden, als der Erdgeist lachte. Binnesman dagegen lachte nicht, sondern übersetzte: »Ich habe dich nur darum gebeten, ein Samenkorn der Menschlichkeit zu retten. Falls du Erfolg hast, wird die Tat selbst deine Belohnung sein. Du wirst diejenigen retten, die du für liebenswert hältst.«
»Falls ich Erfolg habe?« fragte Gaborn. Ein einsamer Wind pfiff durch die Bäume. »Früher gab es auf dem Land die Toth.
Es gab die Duskiner… Am Ende dieser finsteren Zeit wird auch die Menschheit nur eine Erinnerung sein.«
Gaborn spürte, wie ihm fast das Herz erstarrte. Er hatte geglaubt, der Erdgeist wollte, daß Gaborn ihm half, das Volk von Heredon vor Raj Ahten zu retten. Doch es stand etwas Gefährlicheres als ein Krieg zwischen zwei Völkern bevor – etwas weitaus Zerstörerisches.
»Was wird geschehen?« wollte Gaborn wissen.
Der Wind pfiff, während der Erdgeist leise weitersprach.
Eine Weile runzelte Binnesman bloß die Stirn, dann antwortete er wie zu sich selbst. »Ich kann Euch nicht erklären, Gaborn, was der Erdgeist sagt. Es ist zu kompliziert, um es zu übersetzen. Selbst der Erdgeist kennt die Antwort nicht vollständig. Nur die Lords der Zeit sehen die Zukunft, und selbst dem Erdgeist bleibt sie verborgen. Der Erdgeist spürt weitgehende Zerstörung. Der Himmel wird schwarz sein von Rauch, und alles wird verbrennen. Die Sonne wird im Zenith nur schwach leuchten, rot wie Blut. Meere werden in Asche ersticken… Ich – es ist zuviel, ich kann es nicht entwirren.«
Daraufhin verstummte der Zauberer, und Gaborn sah, daß sein Gesicht aschfahl war, so, als kostete es sogar ihn ungeheure Kraft, sich einen Reim auf die Worte des Erdgeistes zu machen. Oder aber die Dinge, die er erfahren hatte, hatten Binnesman bis ins Mark erschreckt, so daß er nicht weitersprechen konnte.
Gaborn wußte nicht, wie er den Eid halten sollte. Doch ganz gleich, was er dafür tun mußte, er mußte ihn leisten. Er ließ sich auf die Knie fallen und schwor: »Ich, Gaborn Val Orden, gelobe Euch, daß ich der Erde niemals Schaden zufügen werde, daß ich mich in den düsteren Zeiten, die da kommen, der Erhaltung eines Samenkorns der Menschlichkeit
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