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Dunkel ueber Longmont

Dunkel ueber Longmont

Titel: Dunkel ueber Longmont Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Farland
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mir nach: Ich, Gaborn Val Orden, gelobe Euch, daß ich der Erde niemals Schaden zufügen werde, daß ich mich in den düsteren Zeiten, die da kommen, der Erhaltung eines Samenkorns der Menschlichkeit verschreibe.«
    Binnesman blickte Gaborn fest in die Augen, ohne zu blinzeln, und wartete mit angehaltenem Atem, daß Gaborn den Eid sprach.
    Gaborn zitterte innerlich. Er spürte die Erde in seiner Hand, spürte… ein Kribbeln im Hintergrund seines Bewußtseins, die Gegenwart von etwas Mächtigem.
    Es war die gleiche Gegenwart, die er gestern wahrgenommen hatte, in Bannisferre, wo er plötzlich den Drang verspürt hatte, seinen Leibwächter Borenson zu bitten, die hübsche Myrrima zu heiraten.
    Nur daß diese Gegenwart sich nun viel stärker aufdrängte.
    Als würden sich Felsen bewegen und Bäume atmen. Eine eigenartige Kraft pulsierte unter seinen Füßen, die Erde schien voller Erwartung zu erbeben. Ja, er spürte – durch seine nackten Füße hindurch –, wie die Kraft der Erde unter ihm aufstieg.
    Und plötzlich wurde Gaborn klar, daß er seit Tagen zu diesem Ziel hier unterwegs gewesen war. Hatte sein Vater ihm nicht gesagt, er solle hierherkommen und lernen, das Land zu lieben? Hatte irgendeine Macht seinen Vater angehalten, ebendiese Worte zu sprechen?
    Und im Gasthaus in Bannisferre, wo Gaborn den Wirrbeerenwein getrunken hatte, den besten Wein, den er je gekostet hatte, den Wein mit dem Buchstaben B auf dem Siegel, da hatte er diese Kraft ebenfalls gespürt. Gaborn wußte jetzt, wußte es, ohne daß er fragen mußte, daß diese Flasche Wein von Binnesman stammte. Wie sonst hätte sie eine so unglaubliche Wirkung zeigen können?
    Gaborn hatte Angst, den Eid des Zauberers zu leisten, ein Diener der Erde zu werden. Was mußte er dafür tun? Würde er ein Erdwächter werden wie Binnesman? Gaborn hatte bereits andere Eide geleistet, Eide, die ihm heilig waren. Und Myrrima hatte gesagt, er lege nicht leicht Eide ab.
    »Ich schwöre«, sagte er zu Binnesman.
    Binnesman lachte still in sich hinein. »Nein, Ihr Narr.
    Schwört nicht mir, schwört der Erde, die Ihr in der Hand haltet und die sich unter Euren Füßen befindet. Sprecht den ganzen Eid.«
    Gaborn öffnete den Mund, sich qualvoll bewußt, wie der Kräutersammler an seinen Lippen hing. Dieser Eid war bedeutsamer, als er sich vorzustellen vermochte. Er fragte sich, wie er gleichzeitig seinen Eid auf die Erde und auch den auf Iome halten konnte.
    »Ich…«, setzte Gaborn an, doch die Erde erzitterte unter seinen Füßen. Ringsum auf den Feldern und in den Wäldern schien alles vollkommen still zu werden. Kein Wind regte sich, kein Tier gab einen Laut von sich. Die dunklen Bäume um ihn herum schienen noch höher aufzuragen und alles Licht auszusperren.
    Dunkelheit, Dunkelheit. Ich bin unter der Erde, dachte Gaborn.
    Er sah sich staunend um, denn bis zu diesem Augenblick hatte er geglaubt, die Nacht sei still. Jetzt herrschte absolute Stille über dem Antlitz der Erde, und er hatte das Gefühl, als käme ein fremdes und mächtiges Etwas auf ihn zugeschossen.
    Binnesmans Reaktion bestand darin, daß er von der Gartenraute zurücktrat und sich erstaunt umsah. Die Erde warf sich in der Nähe seiner Füße auf, der grasbewachsene Boden teilte sich, als zerreiße ein riesiger Schleier.
    Und aus dem Gebüsch am Waldrand tauchte ein Mann auf, eine schwarze Gestalt, die aus dem Dunkel hervortrat. Gaborn hatte seine Umrisse Augenblicke zuvor erkannt, hatte seinen Schatten gesehen, gleich nachdem ihm der Augentrost verabreicht worden war, aber er hätte nie vermutet, daß das Geschöpf tatsächlich in Erscheinung treten würde.
    Denn das war kein Sterblicher. Es war eher ein Geschöpf aus Staub, geformt aus der lehmigen schwarzen Erde. Winzige Staubflöckchen und Steinchen hingen zusammen und bildeten seine Gesichtszüge.
    Gaborn erkannte die Gestalt wieder. Raj Ahten kam auf ihn zu. Oder, richtiger, ein Wesen aus Staub in der Gestalt von Raj Ahten schritt aus dem Wald hervor, mitsamt der Rüstung, dem herrisch-finsteren Blick, dem hohen Helm mit den ausladenden Eulenflügeln, der schwarz war wie Onyx.
    Gaborn erstarrte augenblicklich vor Entsetzen, fragte sich, was diese Offenbarung wohl zu bedeuten hatte. Er sah zu Binnesman hinüber, doch der Zauberer hatte sich erstaunt zurückgezogen.
    Das Geschöpf aus Staub starrte auf Gaborn herab und zeigte einen Ausdruck leicht spöttischer Verachtung. In den dichter werdenden Schatten des Waldes hätte ein zufälliger

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