Dunkel ueber Longmont
ein… Lord !«
Er konnte es sehen, sie überlegte. Sie wußte bestimmt, daß er kein Sylvarresta, kein Lord aus Heredon war. Damit wäre er also bloß ein ausländischer Würdenträger auf Reisen und das in Heredon, einem abgelegenen Land, einem der am weitesten nördlich gelegenen Königreiche Rofehavans.
»Ich hätte es wissen sollen bei Eurer Stattlichkeit«, meinte sie. »Ihr seid also ein Runenlord, der hergekommen ist, um unser Land zu studieren. Verratet mir: gefällt es Euch gut genug, um Prinzessin Iome Sylvarresta den Hof zu machen?«
Gaborn fand es bewundernswert, wie sie die richtigen Schlüsse zog. »Ich bin überrascht, wie grün Euer Land und wie stark Euer Volk ist. Viel reicher, als ich es mir vorgestellt hatte.«
»Wird Prinzessin Sylvarresta Euch akzeptieren?« Noch immer suchte sie nach Antworten. Nun fragte sie sich wohl, aus welcher armen Burg er stammte. Sie setzte sich neben ihn auf den Brunnenrand.
Gaborn zuckte die Achseln, täuschte mehr Besorgnis vor, als er empfand. »Ich weiß nur, was man sich über sie erzählt«, gestand er. »Vielleicht kennt Ihr sie besser als ich. Werde ich ihr gefallen?«
»Ihr seid durchaus hübsch anzusehen«, sagte Myrrima, derweil sie ganz unverhohlen seine breiten Schultern musterte, das lange dunkelbraune Haar, das unter seinem Federhut hervorwallte. Mittlerweile mußte sie gemerkt haben, daß er vom Haar her nicht dunkel genug war, um aus Muyyaiin oder von einem der indhopalischen Stämme zu sein.
Dann stockte ihr der Atem, und ihre Augen wurden groß. Sie erhob sich rasch und trat zurück, unsicher, ob sie stehenbleiben und einen Hofknicks machen oder sich zu seinen Füßen niederwerfen sollte. »Verzeiht mir, Prinz Orden ich, äh, mir ist die Ähnlichkeit mit Eurem Vater entgangen!«
Myrrima trat schwankend drei Schritte zurück, so als wünschte sie, sie könnte blindlings davonstürzen, denn jetzt wußte sie, daß er nicht der Sohn irgendeines armen Freiherrn war, der irgendeinen Steinhaufen seine Festung nannte, sondern daß er aus Mystarria selbst kam.
»Ihr kennt meinen Vater?« fragte Gaborn, der sich erhob, vortrat, erneut ihre Hand ergriff und ihr damit zu verstehen geben wollte, daß niemand beleidigt worden war.
»Ich – er ist einmal auf dem Weg zur Jagd durch die Stadt geritten«, erklärte Myrrima. »Ich war noch ein Mädchen. Ich kann sein Gesicht nicht vergessen.«
»Er hat Heredon immer gemocht«, sagte Gaborn.
»Ja… ja, er kommt schließlich oft genug hierher«, meinte Myrrima, sichtlich aus der Fassung. »Ich… verzeiht, wenn ich Euch belästigt habe, mein Lord. Ich wollte nicht vermessen sein. Oh…«
Myrrima machte kehrt und fing an zu rennen.
»Bleibt stehen und dreht Euch um!« rief Gaborn ihr hinterher.
Sie hielt wie von einer Faust getroffen an und wandte sich zu ihm um. Wie auch mehrere andere in der Nähe. Auf den Befehl nicht vorbereitet, gehorchten sie, als käme er aus ihrem eigenen Kopf. Da sie sahen, daß seine Aufmerksamkeit nicht ihnen galt, gingen sie rasch weiter. Die Anwesenheit eines Runenlords in ihrer Mitte hatte ihnen angst gemacht.
Plötzlich befand sich Borenson hinter Gaborns Rücken, zusammen mit Days.
»Danke, daß Ihr stehengeblieben seid, Myrrima«, sagte Gaborn.
»Ihr könntet eines Tages mein König sein«, antwortete sie.
als hätte sie sich ihre Erwiderung gut überlegt.
»Glaubt Ihr?« wollte Gaborn wissen. »Glaubt Ihr, Iome wird mich nehmen?« Die Frage erschreckte sie. Gaborn fuhr fort.
»Ihr seid eine scharfsinnige Frau und wunderschön. Ihr würdet Euch am Hof gut machen. Ich schätze Eure Meinung.
Bitte, antwortet mir.«
Sie zögerte, und Gaborn hielt den Atem an und wartete auf ihre ehrliche Meinung. Sie konnte unmöglich wissen, wie wichtig ihm ihre Antwort war. Gaborn war auf diese Verbindung angewiesen. Er war auf das starke Volk aus Heredon angewiesen, seine uneinnehmbaren Festungen, sein weites offenes Land, das bereit war, genutzt zu werden.
Sicher, sein Mystarria war ein reiches Land, dessen Märkte immer weiter wuchsen und langsam verwahrlosten aber nach jahrelangen Kämpfen hatte der Wolflord Raj Ahten schließlich die Indhopalischen Königreiche erobert, und Gaborn wußte, daß er sich damit nicht zufriedengeben würde. Im Frühjahr würde Raj Ahten entweder in die unzivilisierten Reiche von Inkarra einfallen, oder er würde sich nach Norden wenden, den Königreichen Rofehavans zu.
In Wahrheit spielte es keine Rolle, wohin sich der Wolflord als nächstes
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