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Dunkel wie der Tod

Dunkel wie der Tod

Titel: Dunkel wie der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.B. RYAN
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der gegenüberliegenden Wand stand. Sie musste ein wenig den Hals recken, um an den damastenen Bettvorhängen vorbeisehen zu können, die beiseite gerafft und mit seidenen Kordeln an die Bettpfosten gebunden waren. Die kleine Spirituslampe stand nun auf dem Nachttisch und warf ein schwaches, flackerndes Licht. Es war schummrig, alles schien leicht zu schwanken, und so sah Nell nicht gleich, was vor sich ging. Doch schließlich konnte sie Adam im Halbdunkel ausmachen, der Wills Hände an die Armlehne des Sofas fesselte. Seine Füße waren bereits an die andere Lehne gebunden. Offenbar war Will nach wie vor nicht bei Bewusstsein, wenngleich er langsam zu sich zu kommen schien. Kraftlos zerrte er an den Fesseln, murmelte leise vor sich hin.
    Adam hielt ein zusammengerolltes Seil in der Hand – hatte er das etwa mitgebracht? – und drehte sich zu Nell um. „Wie ich sehe, sind Sie wach. Glauben Sie, er hat irgendetwas davon mitbekommen?“ Er versetzte Will einen Klaps ins Gesicht, woraufhin Will zusammenzuckte und blinzelnd die Augen aufschlug. Adam beugte sich über ihn und rezitierte so laut, als spräche er zu jemand, der nur schwer versteht: „‚Wenn ein Mann die Ehe bricht mit der Frau seines Nächsten, so sollen beide des Todes sterben, der Ehebrecher und die Ehebrecherin.‘ Sie wissen, was das bedeutet, nicht wahr?“
    Will sah Adam mit einer Miene völliger Verständnislosigkeit an. Als er sich aufzusetzen versuchte und ihm dies nicht gelang, zog er verdutzt an seinen Fesseln.
    â€žWill …“, begann Nell.
    Adam fuhr herum und schrie: „Habe ich Ihnen erlaubt, etwas zu sagen?“
    â€žNell?“ Will sah zu ihr hinüber, und seine Augen weiteten sich vor Entsetzen, als er sah, dass sie gefesselt war und blutete. „Himmel! Nell, ist alles …“
    â€žSie wissen, was das bedeutet, nicht wahr?“, wiederholte Adam seine Frage.
    â€žWas zum Teufel soll das?“, verlangte Will zu wissen und zerrte an den Fesseln. „Was haben Sie mit ihr gemacht?“
    â€žSie wissen, was das bedeutet, nicht wahr?“
    â€žWenn Sie ihr etwas angetan haben, dann helfe Ihnen Gott …“
    â€žâ€šWenn ein Mann die Ehe bricht mit der Frau seines Nächsten‘ – gemeint sind Sie, Will – ‚so soll er des Todes sterben.‘ Ein Mann, der einer verheirateten Frau beiwohnt, macht sich ebenso des Ehebruchs schuldig wie die Ehebrecherin. Der Mann muss selbst nicht verheiratet sein, um vor dem Angesicht des Herrn die Sünde des Ehebruchs auf sich zu laden. So lautet das Gesetz, wie es von Gott auf uns gekommen ist, Will. So steht es in der Bibel.“
    Will schaute Nell an und schien zu fragen: Meint er das ernst?
    Sie nickte verzweifelt.
    â€žSo ein Unsinn“, sagte Will. „Binden Sie uns beide los.“
    â€žDeuteronomium, zweiundzwanzigstes Kapitel, Vers zweiundzwanzig – den kennen Sie ja: ‚Wenn ein Mann dabei ergriffen wird, dass er einer Frau beiwohnt, die einen Ehemann hat, so sollen beide sterben, der Mann und die Frau, der er beigewohnt hat.‘ Beide, Will. Sie haben sich beide gleich schuldig gemacht.“
    â€žVerdammt, Sie sind ja völlig verrückt! Keiner von uns beiden ist schuldig. Es ist nichts … zwischen uns beiden ist nichts!“
    â€žLügen Sie mich nicht an!“, donnerte Adam. Das Seil in seiner Hand bebte.
    â€žIch …“
    â€žHören Sie auf, mich anzulügen! Für wie dumm halten Sie mich eigentlich?“
    â€žAdam“, sagte Will mit bemüht ruhiger Stimme, „hören Sie mir bitte einfach zu.“
    â€žNein, Sie werden mir zuhören. Sie müssen nämlich verstehen, warum ich das tue. Sie müssen akzeptieren, dass es Gottes Wille ist.“
    â€žEinverstanden“, erwiderte Will leise. „Einverstanden, Adam. Ich höre Ihnen so lange zu, wie Sie wollen, und ich werde alles verstehen und akzeptieren, und Sie können dann machen, was Sie wollen – mit mir. Aber Sie müssen Nell gehen lassen.“
    â€žWill …“ Nell zerrte verzweifelt an ihren Fesseln.
    Adam brüllte vor Lachen. „Sie gehen lassen?“
    â€žSie hat keine Schuld, Adam. Ich bin es, der schuldig ist. Ich habe mich mein ganzes Leben lang schuldig gemacht – mal dieser Sache, mal jener. Das kann Ihnen jeder bestätigen, der mich kennt. Behalten Sie mich hier, führen Sie mich meiner gerechten Strafe zu,

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