Dunkel wie der Tod
Froschteich segeln.â
âIch habe mich versteckt, bis Sie beide vorbei waren.â
âWill â¦â
âSie ist ein hübsches kleines Mädchen.â
âSie hätten â¦â
âNein, Nellâ, unterbrach er sie ernst. âIch hätte nicht.â
âMöchten Sie sie denn nicht endlich einmal kennenlernen? Sie sind ihr Vater!â
âEin Vater, der sich seinen Lebensunterhalt beim Kartenspiel verdient und es keine vier Stunden ohne einen Schuss Morphium aushält.â
âIst es denn immer noch nur Morphium?â, erkundigte sie sich vorsichtig. âOder haben Sie wieder angefangen â¦?â
âMit der Pfeife?â Er schüttelte den Kopf. âNein, ich habe mich vom Opium ferngehalten. Es ist ⦠zu verführerisch, zu ⦠faszinierend. Es verzehrt mich, wird alles, was ich noch will, lässt mich an nichts anderes mehr denken. Morphium hat nicht denselben Reiz. Ich verwende es wie Medizin, sechsmal am Tag eine Injektion von zwanzig Milligramm â gerade nur genug, um keinen Entzug zu verspüren und die Schmerzen in meinem Bein zu betäuben.â
âEs bereitet Ihnen demnach noch immer Schmerzen?â Vor vier Jahren war Will eine Kugel durch den rechten Oberschenkel geschossen worden. Letzten Winter war Nell aufgefallen, dass er tatsächlich kaum humpelte, wenn er unter der betäubenden â und berauschenden â Wirkung des Schlafmohns stand.
âEs lässt sich aushaltenâ, meinte er, âsolange ich nicht zu viel Zeit zwischen den Injektionen verstreichen lasse.â
Der Kellner kam und brachte ihren Sherry, seine Zigaretten und eine Schachtel Streichhölzer. Will stieà mit seinem Glas an ihres. âAuf die Erneuerung unserer Bekanntschaft â möge sie auch weiterhin anregend und einvernehmlich bleiben.â
Der Sherry war köstlich süÃ, glitt sanft und weich ihre Kehle hinab, und Nell spürte sogleich, wie er sie bis in den Bauch wärmte.
âHaben Sie etwas dagegen?â, fragte Will, als er seine Dose Bull Durhams öffnete.
Nell schüttelte den Kopf. âKeineswegs.â
Er nahm sich eine Zigarette heraus und meinte: âWährend Sie und Gracie nautische Manöver im Froschteich ausgeführt haben, habe ich mir ein kleines Gespann besorgt und bin nach Charlestown gefahren, um mit Harry zu sprechen.â
âSie waren in der Tuchfabrik? Standen Sie zufällig gerade mit Harry drauÃen am Tor, als es zur Mittagspause läutete?â
Das brennende Streichholz in der einen, die Zigarette in der anderen Hand, verharrte er reglos. âWaren Sie dort?â
âNein â nicht am Freitag. Ich war gestern dort, und einige der Arbeiter und Fabrikmädchen erwähnten, dass sie Ihren Bruder letzten Freitag mit einem Mann hätten reden sehen ⦠dessen Beschreibung genau auf Sie passte.â Ich hab gedacht, jetzt fallen sie auf der Stelle in Ohnmacht ⦠Er hatte ein Gesicht wie eine von diesen römischen Statuen!
âSie hätten Harrys Gesicht sehen sollen, als sein Sekretär mich ankündigte.â Will zündete sich seine Zigarette an, nahm einen Zug und wandte den Kopf leicht zur Seite, als er den Rauch ausblies. âWir hatten uns seit, ja, wie lange eigentlich ⦠seit fast fünf Jahren nicht mehr gesehen.â
âUnd weshalb haben Sie ihn nun aufgesucht?â Fast hätte sie gesagt: Warum nur, um alles in der Welt ?
Will lehnte sich in seinen Sessel zurück, schlug seine langen Beine übereinander und betrachte den Cognac in seinem Glas. âSeit letztem Winter habe ich mir sehr oft Gedanken über ihn gemacht. Mir wurde bewusst, wie wenig er sich verändert hatte, und dass ich nicht ganz unschuldig an seiner unerfreulichen Entwicklung bin.â
âWeil Sie ihm in seiner ausschweifenden Jugend nicht den rechten Weg gewiesen haben?â, fragte Nell. Sie wusste, dass Will sich deswegen schwere Vorwürfe machte. âIhre Mutter meinte einmal zu mir, dass auch Sie wohl nur wenig hätten ausrichten können â nicht dann, wenn doch sechs Jahre Altersunterschied sie voneinander trennten und Harry sich allen Ratschlägen widersetzte.â
âWenn es überhaupt jemandem hätte gelingen können, dann mir. Harry und ich waren uns im Grunde sehr ähnlich â wir fühlten uns beide zum lasterhaften Leben hingezogen wie die Geier zum Aas. Ich hätte ihn
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