Dunkel wie der Tod
hineingeschüttet hat. Dessen bin ich mir tief in meinem Herzen gewiss. Vielleicht ist er noch vor sich selbst zu retten, vielleicht auch nicht â nun, da ich weiÃ, was er Ihnen angetan hat, zweifle ich langsam selbst daran â, aber dennoch hat er es nicht verdient, eines Mordes bezichtigt zu werden, den er nicht begangen hat. Eines Doppelmordesâ, setzte er mit Blick auf Virgils Leichnam hinzu.
Während Will seine Sachen zusammensuchte, sagte Nell: âGehen Sie ruhig schon mal vor. Wir treffen uns dann am Wagen.â
Er schaute sie verwirrt an. âIch dachte, wir seien jetzt hier fertig.â
âIch wollte nur ⦠ich fände es nicht richtig zu gehen, ohne ein paar Worte gesprochen zu haben.â
âMeinen Sie ein Gebet?â
Sie sah beiseite und errötete â wobei doch eigentlich er derjenige war, der sich hätte schämen sollen, weil er so gottlos war! âSie können gerne vorausgehen. Ich komme gleich nach.â
âNein, machen Sie ruhigâ, meinte er nach kurzem Zögern. âIch warte solange.â
Nell wandte sich zu Virgil um und bekreuzigte sich. Fast wünschte sie, Will wäre wirklich schon vorausgegangen, denn es kam ihr nun seltsam vertraulich vor, dies in seiner Gegenwart zu tun. Aus den Augenwinkeln konnte sie sehen, wie er sie mit feierlich ernster Miene und neugierigem Interesse beobachtete.
Nell schloss die Augen, um seine Gegenwart zu vergessen, faltete die Hände und sprach: âSchenke ihm ewige Ruhe, oh Herr, und lass dein Licht ewiglich auf ihn scheinen. Mögen seine Seele und die Seelen aller im treuen Glauben Verschiedenen in Frieden ruhen, Amen.â
âAmenâ, sagte Will.
Bei Bridie wählte Nell andere Worte.
âWir bitten dich, oh Herr, erbarme dich der Seele deiner Dienerin Bridget Sullivan, auf dass sie, die von dieser Welt gegangen ist, bei dir Einlass finde, und vergib ihr in deiner unermesslichen Güte, da sie in ihrem Leben schwach und sündig war. Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, wie im Anfang so auch jetzt und alle Zeit in Ewigkeit, Amen.â Sie bekreuzigte sich.
âAmen.â Will setzte sich seinen Hut auf, hängte sich seinen Gehrock jedoch nur über die Schultern â gewiss in der Hoffnung, dass seine triefnassen und schlammverschmierten Kleider auf der Fahrt zurück nach Salem ein wenig trocknen würden. âArme Bridieâ, meinte er, als er seinen Blick auf ihren sterblichen Ãberresten ruhen lieÃ. âHätten Sie sie sich als Bauersfrau vorstellen können?â
Nell überlegte kurz und meinte schlieÃlich: âJa, durchaus.â
Will schaute sie an, schien etwas sagen zu wollen, besann sich dann aber eines Besseren. Er wandte sich wieder Bridie zu und murmelte: âHebt sie vom Uferkies, aufhebt sie leis â¦â
Nell sah ihn fragend an.
âEs ist ein Gedicht von Thomas Hoodâ, sagte er. ââDie Seufzerbrückeâ.â Er nahm den Hut wieder ab, den er gerade erst aufgesetzt hatte, und fing an, mit sanfter, bedächtiger Stimme zu rezitieren: âHebt sie vom Uferkies, aufhebt sie leis. Oh, welch ein zart und süà abgeknickt Reis. Nimmer mit Hohn und Groll â trauernd, erbarmungsvoll anrührt ihr Leibliches. Nicht ihrer Flecken denkt, was ihr von ihr versenkt, ist nun rein Weibliches. Nichts lieà der Tod an ihr, nichts als der Schönheit Zier.â
âAmenâ, flüsterte Nell.
âAmen.â Er setzte seinen Hut wieder auf. âKommen Sieâ, meinte er und wandte sich zum Gehen. âLassen Sie uns die Polizei holen.â
âKönnte ich nur noch kurz ⦠Ich will nicht, dass man sie so vorfindet ⦠so entblöÃtâ, sagte sie und malte sich bereits aus, wie die Konstabler reagieren würden, wenn sie um Bridie herumstanden. Zunächst wären sie entsetzt, von Ekel berührt. Doch dann, wenn der erste Schreck vorüber war und sie irgendwie damit würden umgehen müssen, kämen die ersten verstohlen belustigten Bemerkungen, die derben Witze. Und so würde Bridie Sullivan, eine auf tragische Weise gewaltsam ums Leben gekommene junge Frau, schon bald nur noch ein Fall sein, den es aufzuklären galt. âSind Sie damit einverstanden, dass ich Sie ein wenig ⦠herrichte?â
âWir sollten sie so belassen, wie wir sie vorgefunden habenâ, meinte Will.
âSie haben Virgil auch nicht so
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