Dunkel wie der Tod
wenn man die GröÃe der Larven betrachtet und den Grad der Verwesung â, doch was das anbelangt, lässt sich wie gesagt keine allzu präzise Aussage treffen.â
âWas meinen Sie, wie sie gestorben ist?â, fragte Nell.
âIhr äuÃerlicher Zustand gibt uns keine Anhaltspunkte â ich denke, es müsste eine Autopsie gemacht werden â, aber wir können wohl davon ausgehen, dass sie ermordet wurde. Aber gewiss nicht von meinem Bruder.â
âWeshalb gewiss?â
âHaben Sie sich schon einmal überlegt, wo Virgil Hines geblieben sein könnte? Verlassen Sie sich drauf â wenn wir ihn gefunden haben, haben wir auch den Mann, der Bridie das angetan hat.â
âAber er hat sie geliebt.â
âWürde diese Liebe Duncans ständige Schmähungen überdauert haben? Er hat Virgil ziemlich nachdrücklich geraten, Bridie âloszuwerdenâ â was auch immer er damit meinte, wenngleich ich so meine Vermutungen habe. Noch schwerer dürfte jedoch wiegen, dass er Virgils Männlichkeit infrage gestellt hat, sollte er das nicht selbst fertigbringen, und diese Taktik verfehlt bei den wenigsten Männern ihre Wirkung.â
Nell wollte dieses Thema nicht vertiefen. Die Wahrheit würde sich finden â oder auch nicht. Nichts war gewonnen, wenn sie sich nun auf eine längere Auseinandersetzung mit Will einlieÃ. Sie betrachtete Bridies Leichnam, suchte nach etwas, das vielleicht einen Hinweis darauf geben würde, was geschehen war.
âIhre Hände und FüÃe sind schmutzig.â Nell hockte sich hin, streifte ihre Handschuhe ab und griff zögerlich nach Bridies Hand, die sich anfühlte wie kaltes Gummi, und bog die Finger auseinander. Die Handfläche war dunkel vor Schmutz und vor Leichenflecken. AuÃerdem waren Abschürfungen zu erkennen, voller Sand und winziger Steinchen. Zwischen den Fingern hingen irgendwelche Ãberreste von Pflanzen â Grashalme oder schmale Blätter.
âSehen Sie sich das anâ, sagte Nell und fuhr mit dem Finger über einen Streifen verbrannter Haut inmitten Bridiesâ Handfläche. Sie griff nach ihrer anderen Hand und fand dort genau dasselbe Brandmal.
âSieht aus, als hätte sie die gusseiserne Pfanne mit bloÃen Händen angefasst.â
âDas hier sind Spuren ihrer eigenen Fingernägelâ, meinte Nell und zeigte auf einige leicht gerundete Einkerbungen auf dem Handballen. Die Fingerkuppen der Toten waren abgeschürft, ein paar Nägel abgebrochen. Nell inspizierte die FuÃsohlen, die ebenso stark abgeschürft waren wie die Handflächen. âSie hat es Ihrem Angreifer nicht leicht gemacht. Am Schluss muss sich sich sehr gewehrt haben.â
âJa, aber nicht hier.â Will rieb mit dem Daumen über Bridies verschmutzte Handfläche. âGetrockneter Schlamm. Und hier ⦠Pflanzenreste. Sie kann nicht auf diesem Feld umgebracht worden sein.â Er stand auf und sah sich um. âIn dem kleinen Wäldchen da drüben scheint ein Bach zu sein.â
Der Verwesungsgeruch nahm indes nicht ab, als sie sich ihren Weg durch die Bäume hindurch bahnten â er wurde sogar noch stärker. Den Grund dafür entdeckten sie, sobald sie am Ufer des Baches angekommen waren, der zwischen dichtem Farn und Moos leise plätschernd sein flaches, steiniges Bett hinabfloss. Das Gesicht nach unten, trieb ein männlicher Leichnam im Wasser. Sein Körper war etwas weniger aufgedunsen als der Bridiesâ, was daran liegen mochte, dass es hier im Wäldchen kühler war als drauÃen auf dem sonnigen Feld.
Der Tote trug ein rotes Flanellhemd, das unter Wasser hellrosa schimmerte â die Farbe war teils ausgewaschen und in den Bach gespült worden â, und eine karierte Hose mit abgewetzten ledernen Hosenträgern, keine Jacke, keine Schuhe. Er hatte dunkelbraunes, schulterlanges Haar.
Schweigend betrachtete Will den Leichnam und schien Nells Anwesenheit völlig vergessen zu haben. Dann meinte er: âIch drehe ihn mal um.â Er nahm seinen Hut ab, zog sich Gehrock, Stiefel und Strümpfe aus, krempelte sich Hemdsärmel und Hosenbeine hoch und watete ins Wasser. Der Bach war keinen halben Meter tief, am Grund lagen Bachkiesel und flache, rundgespülte Steine, verschiedene Wasserpflanzen waren zu erkennen und hie und da einzelne gröÃere Gesteinsbrocken.
Der Leichnam erwies sich als schwer und
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