Dunkel wie der Tod
Gefängnis ausgebrochen, hätte auÃer Landes flüchten können, irgendwo ein neues Leben beginnen. Doch was tut er? Obwohl er sich ja wohl denken kann, dass nach ihm gefahndet wird, kommt er hierher, um jeden Ihrer Schritte zu beobachten â vermutlich mit der Absicht, Ihnen etwas anzutun. Ihr Detective Cook hat übrigens vor, ihn damit nicht davonkommen zu lassen. Er hat mir soeben noch unter vier Augen anvertraut, dass er die gesamte Bostoner Polizei alarmieren wird, nach Duncan Ausschau zu halten.â
Nell schüttelte seufzend den Kopf. âDuncan muss wirklich verrückt sein, sich auf ein solches Risiko einzulassen.â
âHaben Sie schon einmal erwogen, dass er auch für die Verbrechen an Bridie und Virgil verantwortlich sein könnte?â
Sie schaute ihn an.
âEr ist vor einer Woche ausgebrochenâ, sagte Will. âDas deckt sich mit der Zeitspanne, während derer die Morde vermutlich verübt worden sind. Aus seinen Briefen an Virgil wissen wir, dass er Bridie ohne Angesicht der Person verabscheute und wütend auf Harry war, weil er Sie ihm weggenommen hatte. Würde er Bridie umgebracht und den Verdacht auf Harry gelenkt haben, hätte er seinen Rivalen vernichtet und könnte sich wieder ganz auf Sie konzentrieren. Er wusste von Bridies Erpressungsversuch und auch, dass Bridie Harry mit Virgil betrog â beides glaubhafte Motive für einen Mord. Dann beschaffte er sich einen von Harrys Schals â¦â
âWie soll er das denn gemacht haben?â
Will zuckte mit den Schultern. âEr könnte ihn aus Harrys Büro in der Fabrik entwendet haben, oder er hat jemand anderen beauftragt, dies für ihn zu tun ⦠Wer weiÃ? Vielleicht hat aber auch wirklich Bridie den Schal genommen, und Virgil hat Duncan dann in einem seiner Briefe davon berichtet. Und als Sie Duncan letzten Mittwoch nach so langer Zeit besucht hatten, mag ihn das ermutigt haben, seinen Plan unverzüglich in die Tat umzusetzen. Wie der Zufall es will, kam ihm auch noch die dunkle Neumondnacht zu Hilfe. Gleich am nächsten Tag macht er sich auf den Weg zum White-Gehöft, wo er Bridie findet â¦â
âAm nächsten Tag? Das wäre Donnerstag gewesen. Aber das sind jaâ, Nell zählte es an den Fingern ab, âfünf ganze Tage, nachdem sie entlassen worden war.â
âDer Tag ihrer Entlassung aus der Tuchfabrik war der Tag, an dem man Bridie und Virgil zuletzt in Charlestown gesehen hatâ, fuhr Will fort. âIch nehme an, sie sind gleich an besagtem Freitag gen Salem aufgebrochen, um ihren gemeinsamen Hausstand auf dem verlassenen Hof einzurichten.â
âBridies Mutter hat mir versichert, dass ihre Tochter niemals einfach so auf und davon gehen würde â nicht, ohne ihr Bescheid zu sagen.â
âDas glauben Mütter immer. Auf jeden Fall traf Duncan dann fünf Tage darauf dort ein und fand Bridie allein in der Küche vor.â
âVirgil war derweil am Bachâ, spann Nell das Szenario weiter aus, âum ein paar Fische zu fangen â als Beilage zu den Johnnykuchen.â
Will rieb sich nachdenklich das Kinn und meinte: âAls Duncan zudringlich wurde, versuchte Bridie, ihren Angreifer mit der gusseisernen Pfanne abzuwehren. Sie konnte aus dem Haus flüchten und rannte zum Bach hinunter, wobei sie wahrscheinlich lauthals nach Virgil rief.â
âSie müsste sehr schnell gerannt seinâ, gab Nell zu bedenken und dachte an Duncans lange Beine. Sie konnte es deutlich vor sich sehen â das Feld, überwuchert von goldgelb vertrocknetem Gras, das im Wind raschelte und unter den FüÃen knisternd brach, in der Ferne das kleine Wäldchen, dem Bridie entgegeneilte, die Röcke hochgerafft, und wie ihr das Herz bis zum Hals schlug, als Duncan ihr mit jedem Schritt näher und näher kam â¦
âFrauen können überraschend flink und wendig sein â besonders barfuÃ, wie Bridie es war. Virgil wird sich gewundert haben, dass Duncan nicht mehr im Gefängnis war, sondern hier auftauchte und Bridie nachstellte. Trotzdem würde er ohne zu zögern versucht haben, sie zu verteidigen â wahrscheinlich mit der Angelrute, die dabei entzweibrach.â
Nell wandte ein: âVirgil hätte gegen Duncan überhaupt keine Chance gehabt â ganz gleich, wie muskulös er war. Und eine Angelrute? Ich habe mit angesehen, wie Duncan mit bloÃen Händen zwei
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