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Dunkel wie der Tod

Dunkel wie der Tod

Titel: Dunkel wie der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.B. RYAN
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vorbeifahrenden Kutsche auf dem regennassen Granitsteinpflaster herein. Nell wischte mit dem Handrücken über die beschlagene Scheibe und erkannte, dass es ebenfalls eine Mietdroschke war, die vor ihnen am Straßenrand stehen blieb. Will öffnete das Fenster an seiner Seite; kühle, rein gewaschene Nachtluft drang zu ihnen herein. Der Regen hatte fast aufgehört, und sie hörten, wie der Fahrer sich auf dem Kutschbock zurechtsetzte und die Zügel zur Hand nahm.
    Ein Mann mit schwarzem Regenschirm sprang aus der Kutsche vor ihnen und lief über den regennass schimmernden Vorplatz der City Hall. Etwas an seinen Bewegungen, seinem Gang, kam ihr bekannt vor … diese kaum merkliche Unsicherheit …
    â€žAdam!“, rief William durch das geöffnete Fenster.
    Adam drehte sich um, blieb kurz stehen, bevor er eilig zu ihnen herübergelaufen kam. „Will … Nell.“ Er rief dem Fahrer seiner Kutsche zu, dass er auf ihn warten solle, und trat dann an das offene Fenster, sein Gesicht halb verborgen im Schatten des Schirms. „Ich bin im Revere House gewesen, doch Sie waren nicht dort, und dann fiel mir ein, dass Sie sich ja heute mit dem Detective treffen wollten.“
    â€žIst etwas passiert?“, fragte Nell.
    â€žEs ist wegen Duncan. Ich war heute im Gefängnis – wie Sie wissen, bin ich immer mittwochs dort –, und man sagte mir, er sei ausgebrochen. Ich wollte Ihnen das so rasch wie möglich mitteilen.“
    â€žDetective Cook hat es uns bereits gesagt“, erwiderte Will. „Wir glauben, dass Duncan der Mann ist, der Nell verfolgt. Cook will ein paar seiner Leute abbeordern, damit sie Nell bewachen, und alle Konstabler werden nach ihm Ausschau halten.“
    Adam nickte, wirkte jedoch noch immer angespannt. „Wenn ich nur eher davon erfahren hätte … Ich hatte Duncan zwar am Sonntag nicht gesehen, aber das kam schon öfter vor, weshalb ich mir nichts dabei gedacht habe. Und als er heute nicht zur Bibelstunde kam, dachte ich, dass er vielleicht krank sei. Ich erkundigte mich nach ihm und erfuhr erst dann, dass er bereits seit dem Tag weg ist, da Sie ihn besucht hatten, Nell. Er hat einen der Wärter bestochen, damit er ihn herauslässt.“
    â€žHaben Sie ihn an jenem Tag gesprochen? Ich meine, nachdem ich gegangen war?“, fragte sie Adam über Wills Schulter hinweg.
    â€žOh ja, natürlich. Nach der Bibelstunde blieb er noch etwas länger. Er stand völlig neben sich, redete die ganze Zeit nur von Ihnen und von Harry, zitierte aus dem dritten und dem fünften Buch Mose Verse über den Ehebruch und sagte, dass sie es verdient hätten … Oh.“ Er verstummte und sah Nell recht betreten an, weil er nun ausgeplaudert hatte, dass sie mit Duncan verheiratet war.
    â€žWill weiß es“, beruhigte sie ihn, was ihn zu erleichtern schien.
    â€žFünftes Buch Mose …“, sinnierte Will, „zweiundzwanzigstes Kapitel, Vers zweiundzwanzig, wenn mich nicht alles täuscht.“
    Adam blinzelte. „Genau“, sagte er, sichtlich überrascht, und auch Nell konnte sich über Wills Bibelwissen nur wundern.
    â€žâ€šWenn ein Mann dabei ergriffen wird, dass er einer Frau beiwohnt, die einen Ehemann hat‘, zitierte Will, „‚so sollen beide sterben, der Mann und die Frau, der er beigewohnt hat. So sollst du das Böse aus Israel wegschaffen.‘“
    Nell und Adam schauten ihn sprachlos an.
    â€žIst es das, was Duncan vorhat?“, fragte Will. „Seine verblendete Deutung des Alten Testaments in die Tat umsetzen?“
    Adam sah gequält drein. „Ich weiß es nicht. Ich kann mir gar nicht erklären, wie es so weit hat kommen können. Nie wäre mir der Gedanke gekommen, dass seine Verzweiflung solche Auswüchse annehmen könnte, ihn gar den Verstand verlieren lässt. Aber natürlich hätte ich es merken müssen. Meine Aufgabe ist es, den Menschen in die Seele zu blicken. Mir ist, als hätte ich ihn im Stich gelassen – und Sie auch, Nell.“
    â€žEs ist nicht Ihre Schuld“, sagte sie. „Und ich bin mir sicher, dass die Polizei Duncan bald stellen wird.“
    â€žUm seinetwillen und um Ihretwillen kann ich nur hoffen, dass dies bald geschieht. Nun denn …“ Adam ließ seinen Schirm sinken – der Regen hatte jetzt ganz aufgehört – und faltete ihn zusammen. „Aber bis es so weit ist, scheinen Sie

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