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Dunkel

Dunkel

Titel: Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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Lebensgefährten. Dann schnitt sie sich die Kehle durch. Ihr Milchmann sah die beiden Leichen offensichtlich durch die gläserne Eingangstür auf der Treppe liegen. In dem Bericht heißt es, daß die Frau ein Nachthemd trug und der Mann voll bekleidet war, als sei er gerade nach Hause gekommen, als sie ihn angriff.«
    Sie schwieg, als wolle sie so die Ereignisse besser wirken lassen. »All dies in einer Nacht, Mr. Bishop, und alles in der Willow Road.«
    »Aber das kann mit dem anderen nichts zu tun haben. Gott, das war vor einem Jahr!«
    »Vor neun Monaten, um genau zu sein.«
    »Wie soll es da einen Zusammenhang geben?«
    »Mein Vater glaubt, daß es einen gibt. Darum möchte er, daß Sie ihm alles über den Tag in Beechwood erzählen.«
    Der Name allein ließ bei ihm Unbehagen aufkommen. Die Erinnerung daran war noch zu frisch, und der schreckliche Anblick, dessen Zeuge er in dem alten Haus gewesen war, tauchte vor seinem geistigen Auge plötzlich wie eine Diaprojektion auf. »Ich habe der Polizei alles erzählt - warum ich da war, wer mich engagiert hat. Alles, was ich sah. Ich kann Ihrem Vater nichts Neues sagen.«
    »Er glaubt, es gäbe etwas. Es muß etwas geben, eine Erklärung. Es muß einen Grund dafür geben, daß siebenunddreißig Menschen in einem Haus Massenselbstmord begehen. Und warum in diesem Haus, Mr. Bishop?«
    Er konnte nur auf sein leeres Glas blicken und hatte plötzlich das Bedürfnis nach etwas viel stärkerem als Bier.

3

    Jacob Kulek war groß, wenn auch gebeugt, und sein Kopf war wie ständig forschend vorgereckt. Der schlechtsitzende Anzug hing in Falten um seine dünne Gestalt, sein Hemdkragen und die Krawatte saßen tief an seinem Halsansatz. Er erhob sich, als seine Tochter Bishop in den kleinen Raum führte, den er als privates Arbeitszimmer im Forschungsinstitut benutzte. Das Gebäude selbst blieb im Ärzte- und Finanzghetto der Wimpole Street fast anonym.
    »Danke, daß Sie gekommen sind, Mr. Bishop«, sagt er, eine Hand ausstreckend.
    Bishop war über die Festigkeit des Griffes überrascht. Eine gedämpfte Stimme - er erkannte, daß es die Jessica Kuleks war
    - drang aus einem taschengroßen Diktiergerät, das auf einem niedrigen Tisch neben Kuleks Lehnstuhl lag. Der große Mann schaltete das Gerät ab, wobei seine Finger die Stopptaste ohne Suchen fanden.
    »Jessica verbringt jeden Abend eine Stunde damit, für mich aufzuzeichnen«, erklärte er, wobei er Bishop in die Augen sah, als schaue er ihn prüfend an. Es fiel schwer zu glauben, daß er nicht sehen konnte. »Neue Forschungsinformationen, Geschäftskorrespondenz — allgemeine Dinge, die tagsüber meiner Aufmerksamkeit entgehen. Jessica teilt ihr Sehvermögen selbstlos mit mir.« Er lächelte in Richtung seiner Tochter, wußte instinktiv, wo sie stand.
    »Bitte, setzen Sie sich, Mr. Bishop«, sagte Jessica und deutete auf einen anderen Lehnstuhl, der dem ihres Vaters gegenüberstand. »Möchten Sie Kaffee — Tee?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, danke.« Als Bishop saß, blickte er sich in dem Raum um; fast jeder Zentimeter Wand war von Büchern bedeckt. Es schien paradox, daß ein Mann mit dem Verstand von Kulek sich mit dem umgab, was bedingt durch seine Behinderung die größte Quelle der Frustration für ihn sein mußte.
    Als ob er seine Gedanken lesen könne, wies Kulek auf die buchbedeckten Wände. »Ich kenne jedes Werk in diesem Zimmer, Mr. Bishop. Selbst den Platz auf den Regalen. Masonik, Hermetik, Kabbalistik und Symbolphilosophie der Rosenkreuzer — mittleres Regal an der rechten Wand, drittes Bord oben, siebtes oder achtes Buch. Der >Goldene Ast< — letztes Regal an der Tür, oberstes Bord, irgendwo in der Mitte. Jedes Buch hier ist wichtig für mich, jedes habe ich vor meiner Blindheit viele Male aus diesen Regalen genommen. Es scheint, daß der Verstand sich ohne Sehvermögen freier bewegen kann und daß das Gedächtnis besser wird. Das ist Ausgleich für vieles.«
    »Ihre Blindheit scheint Ihre Arbeit nicht beeinträchtigt zu haben«, entgegnete Bishop.
    Kulek lachte kurz. »Ich fürchte, sie ist schon ein Hindernis. Es gibt so viele neue Konzepte, so viele aufgegebene alte Theorien - Jessica und unser kleines Gerät müssen mich über die Veränderungen des Denkens auf dem Laufenden halten. Meine Beine sind auch nicht mehr so stark wie früher. Mein Stock dient sowohl als Führung wie als Stütze.« Er täschelte den kräftigen Spazierstock, der an dem Sessel lehnte, als sei er ein Schoßtier. »Auf

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