Dunkel
Drängen meiner Tochter habe ich meine Vorlesungsreisen widerwillig reduziert. Sie hat mich gern unter Beobachtung.« Er lächelte seine Tochter mißbilligend an, und Bishop spürte die Nähe zwischen ihnen. Das Mädchen hatte sich auf den hochlehnigen Stuhl neben einem der beiden Fenster gesetzt, als sei sie nur Beobachterin der Unterhaltung, die stattfinden würde.
»Wenn ich es zuließe, würde mein Vater täglich zweiundzwanzig Stunden arbeiten«, sagte sie. »Die restlichen beiden Stunden würde er damit verbringen, über die Arbeit des nächsten Tages nachzudenken.«
Kulek kicherte. »Wahrscheinlich hat sie recht. Jetzt aber, Mr. Bishop, zur Sache.« Seine Stirn krauste sich in tiefe Sorgenfalten und seine Schultern schienen noch gebeugter, als er sich vorlehnte. Wieder mußte Bishop sich an Kuleks Blindheit erinnern, als sein Blick in ihn zu dringen schien.
»Ich glaube, daß Ihnen Jessica die Meldungen über die Ereignisse in der Willow Road letzte Nacht gezeigt hat.«
Bishop nickte und artikulierte dann seine Zustimmung. »Und haben Sie heute die Morgenzeitungen gelesen?« »Ja. Der Mann, der auf die Jungen und ihren Vater geschossen hat, weigert sich offensichtlich, zu sprechen. Das kleine Mädchen, dessen Eltern - nein, es hat sich herausgestellt, daß es die Mutter und deren Freund waren — im Feuer starben, steht noch immer unter Schock. Die Frau, die ihren Liebhaber erdolchte, beging Selbstmord, so daß nur vermutet werden kann, daß das Motiv Eifersucht oder ein Streit war.«
»Ah, ja, Motiv«, sagte Kulek. »Es scheint also, als habe die Polizei noch kein Motiv für einen der Fälle. Und ein Motiv, das alles erklärt, kann es auch nicht geben. Vergessen Sie nicht
-die Mutter und ihr Freund wurden durch Feuer getötet. Das Mädchen kam zum Glück lebendig heraus. Von Brandstiftung ist keine Rede.« Kulek schwieg ein paar Augenblicke und fuhr dann fort: »Halten Sie es nicht für sehr eigenartig, daß sich diese drei bizarren Ereignisse in derselben Nacht in derselben Straße ereigneten?«
»Natürlich ist es das. Es wäre schon eigenartig, wenn zwei Morde im Laufe mehrerer Jahre in der gleichen Straße geschehen, ganz abgesehen von derselben Nacht. Aber wie sollte es da eine Verbindung geben?«
»Ich stimme zu, daß es rein oberflächlich keine andere gibt als Zeit und Ort. Aber da ist natürlich die Tatsache, daß der Massenselbstmord in derselben Gegend erst vor einigen Monaten stattfand. Warum hatte man Sie gebeten, Beechwood zu untersuchen?«
Die Plötzlichkeit der Frage verwirrte Bishop. »Mr. Kulek, meinen Sie nicht, daß Sie mir sagen sollten, warum Sie an den Ereignissen in der Willow Road so interessiert sind?«
Kulek lächelte entwaffnend. »Sie haben völlig recht. Ich habe kein Recht zu fragen, ohne Ihnen eine Erklärung zu geben. Lassen Sie mich einfach sagen, daß ich Grund habe zu glauben, daß die Vorfälle in der Willow Road und die Selbstmorde miteinander in Verbindung stehen. Haben Sie je den Namen Boris Pryszlak gehört?«
»Pryszlak? Ja, er war einer der Männer, die sich in Beechwood umgebracht haben. War er nicht Wissenschaftler?«
»Wissenschaftler, Industrieller — er war eine ungewöhnliche Kombination von beidem. In seinem Leben hatte er zwei Hauptinteressen: Geld zu machen und Energie zu erforschen. Ein aktiver Mann in beiderlei Hinsicht. Er war ein Neuerer, Mr. Bishop, und ein Mann, der seine wissenschaftlichen Errungenschaften in harte Münze umwandeln konnte. In der Tat ein origineller Typ.«
Kulek hielt inne und auf seinen Lippen lag ein eigenartiges, hartes Lächeln, als ob das geistige Bild des Mannes, von dem er sprach, und die Erinnerung daran unerfreulich seien. »Wir begegneten uns 1946 in England, kurz bevor das kommunistische Regime in unserer Heimat Polen etabliert wurde. Wir waren Flüchtlinge, uns war klar, was aus unserem zerstörten Land werden würde. Doch schon damals hätte ich nicht sagen können, daß er jene Art Mann war, die ich zum Freund gewählt hätte, aber« — er hob die Schultern — »wir waren Landsleute und heimatlos. Die Situation formte unsere Beziehung.«
Es fiel Bishop schwer, Kuleks Blick standzuhalten, da die blicklosen Augen sich nicht bewegten. Er fühlte sich dadurch etwas entnervt und schaute zu dem Mädchen hinüber; sie lächelte ermutigend, da sie sein Unbehagen verstand.
»Einer der anderen Faktoren, die uns zusammenbrachten, war unser gemeinsames Interessen am Okkulten.«
Bishops Augen glitten rasch zu Kulek
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