Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkel

Dunkel

Titel: Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
Vom Netzwerk:
Geschwindigkeit hindurch, breitete sich wie ein tödlicher Virus aus. Hunderte wurden davon berührt, bevor der Stromkreis schließlich zusammenbrach und das ganze Stadion in völlige, schreiende Dunkelheit tauchte.

6

    Bishop betrachtete Lucys winziges Gesicht, hielt das gerahmte Foto in der einen Hand und stützte sich mit der anderen auf dem Kaminsims, Seine Gedanken an sie waren zu eingefrorenen Augenblicken geworden, Standbilder wie das Foto, das er hielt, einzelne Bilder, die sein Gedächtnis festgehalten hatte. Er konnte noch ihr quietschendes Kichern hören, ihr keuchendes Schluchzen, aber es waren Echos, die nichts mit Lucy selbst zu tun hatten. Er vermißte sie, und mit einem leichten Schuldgefühl vermißte er sie noch mehr als Lynn. Vielleicht lag das daran, weil seine Frau noch da war - nur ihr Verstand war tot. Kam das auf dasselbe hinaus? Konnte man eine Person noch lieben, wenn sie ganz anders geworden war? Etwas Anderes? Man konnte, aber es war nicht leicht; und er war sich nicht sicher, ob er dazu noch fähig war.
    Er stellte das Foto an seinen Platz zurück und setzte sich in den Armsessel. Neues Schuldgefühl stieg in ihm auf, das das alte verdrängte, und es hatte mit Jessica zu tun. Vielleicht war das so, weil sie die einzige Frau war, mit der er seit langer, langer Zeit eine wirkliche Verbindung hatte. Seit Lynns Krankheit hatte er weibliche Gesellschaft weder gesucht noch vermißt. Nach Lucys Tod und Lynns Zusammenbruch war er so leer geworden; nur Ärger war geblieben, die Überbleibsel seiner Sorge. Der Ärger war zu heftigem Zorn gewachsen, der in seine neue Arbeit kanalisiert worden war, die er gefunden hatte. Doch selbst dieser Zorn hatte abzusterben begonnen und nur eine Bitterkeit hinterlassen, die wie eine alte Weinranke an einer zerfallenen Wand klebte. Jetzt hatte wieder etwas zu atmen begonnen, das seit vielen Jahren geschlafen hatte. Das alte Gefühl war ein wenig gewichen, um Platz für ein neues zu machen. Lag das an Jessica oder daran, daß die Zeit den Schmerz heilte? Würde jede attraktive Frau, die zu diesem Zeitpunkt in sein Leben getreten wäre, dasselbe bewirken? Er wußte keine Antwort, wollte auch nicht über die Frage nachdenken. Eines Tages würde Lynn vielleicht wieder ganz genesen. Und wenn das nicht geschah ... Sie war noch seine Frau.
    Ruhelos erhob er sich aus seinem Sessel, ging in die Küche und holte eine Dose Bier aus dem Kühlschrank. Er zog den Verschluß auf, trank aus der Dose und hatte die Hälfte des Inhalts geschluckt, bevor er sie wieder von seinen Lippen nahm. Langsam kehrte er zu dem Armsessel zurück, seine Gedanken waren dunkel und brütend.
    Es war verrückt. Alles was geschah, war verrückt. Der Wahnsinn wuchs, zeigte eine Virulenz, die sich wie eine unkontrollierbare Plage ausbreitete. Eine Übertreibung? Die Selbstmorde in Beechwood waren der Anfang gewesen. Ein Jahr später hatte sich der Wahnsinn weiter entwickelt, ein Wahnsinn, der fast alle erfaßt hatte, die in der Willow Road lebten. Der Mordanschlag auf ihn und Jacob Kulek. Die Ermordung von Agnes Kirkhope und ihrer Haushälterin. Und dann der Aufruhr in der vergangenen Nacht im Fußballstadion. Fast sechshundert Menschen tot! Hunderte durch Stromschlag ums Leben gekommen — ein losgerissenes Flutlichtkabel, und der Strom war in die regennasse Menge gefahren. Hunderte anderer totgeschlagen, vom Mob zu Tode getrampelt. Der Rest
    - Massenselbstmord. Auf jede nur erdenkliche Weise. Sie hatten die Flutlichtmasten erklettert und waren dann hinabgesprungen. Oder hatten sich an ihren Clubschals erhängt. Gürtelschnallen, Metallkämme — andere versteckte Waffen, die Störenfriede immer hineinschmuggelten — alles was scharf genug war, um Arterien aufzuschneiden, war benutzt worden. Es hatte eine Zuschauerrekordbeteiligung bei diesem Spiel der Zweiten Liga auf dem kleinen Platz gegeben: achtundzwanzigtausend. Fast sechshundert tot! Was für ein Alptraum mußte das in dem dunklen Stadion gewesen sein ... Bishop konnte den Schauder nicht unterdrücken, der ihn durchrann. Das Bier tröpfelte auf sein Kinn, als er die Dose wieder hob, und er merkte, daß seine Hand zitterte.
    Andere waren auf die Straßen gelaufen, die meisten, um dem Tollhaus zu entfliehen, viele, um nach anderen Möglichkeiten zu suchen, sich umzubringen. Hände waren in Schaufensterscheiben geschlagen worden, die Scherben hatte man benutzt, um die Handgelenke aufzuschlitzen. Zwanzig Jugendliche waren zur nächsten

Weitere Kostenlose Bücher