Dunkelerde: Gesamtausgabe
Geschöpf Dunkels, verschwinde!”, fauchte ihm der dürre Mann hinterher und erst jetzt verschwand er endgültig.
Für die unsichtbaren Beobachter dieser Szene, Jule und Pet, war das ziemlich ärgerlich, denn jetzt mussten sie ihre Aufmerksamkeit zwangsläufig auf den Magier ausdehnen, sonst bekamen sie nichts mehr mit.
Aber sie merkten, dass der Magier völlig abgelenkt war - und ahnungslos, was ihre Lauschaktion betraf. Also war das Risiko geringer als sie befürchtet hatten:
Der-Große-Helle hob gerade die Achseln.
„Ein Geschöpf der Straße, das ich bei mir aufgenommen habe. Barmherzigkeit ist schließlich auch ein Gebot des Hell-Dunkel.”
„Ja, ich weiß”, sagte Barasch-Dorm.
„Gewiss seid Ihr auch ein Rechtgläubiger?”
„So ist es.”
„Aber Eure Sprache ist eigenartig, Herr. Kommt Ihr möglicherweise aus Korraresch?”
„Meine Herkunft tut nichts zur Sache.”
„Da habt Ihr natürlich im Prinzip recht”, sagte der Lotse.
In diesem Augenblick kam Koschna wieder zurück. Der Junge hatte ihn letztlich doch nicht festhalten können.
Der Lotse musterte Koschna-Perdoschna Wolfsauge und dabei wurden seine Augen sehr schmal. Er hob die Augenbrauen. Ein abschätziger Zug stand jetzt in seinem Gesicht.
„Vermagst du das, was ich verlange?”, fragte Barasch-Dorm.
„Gewiss vermag ich das. Ich habe schon viele Schiffe durch das Delta geführt und noch keines davon ist in den Untiefen hängen geblieben.”
„Nun, so hast du jetzt Gelegenheit, deine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen”, unterbrach ihn Barasch-Dorm.
„Nicht so schnell, mein rechtgläubiger Anhänger Hells.” Er deutete auf Koschna. „Dieser Mann aus dem Norden ist wohl kaum ein rechtschaffener Anhänger des Hell-Dunkel. Und verzeiht mir, wenn ich es so offen ausspreche, aber ich glaube, dass es Unglück bringt, ein Schiff voller Ungläubiger den Üruschil hinaufzuführen. Man fordert den Fluch der Kreaturen Dunkels geradezu heraus, wenn Ihr versteht, was ich meine?”
Barasch-Dorm lächelte kalt.
„Du bist ein so ängstlicher Mann? Jemand, der Schiffe an Untiefen vorbeiführt?”
„Ich bin nur vorsichtig.”
„Und ich glaube, du bist habgierig.”
„Ein böses Wort, Fremder.”
„Ein wahres Wort”, widersprach Barasch-Dorm. „Was verlangst du? Denn ich wette, dass es darum und nur darum geht. Du willst den Preis erhöhen. Gut, das verstehe ich.”
„Ich verlange einen Schubitu”, sagte Der-Große-Helle. „Allerdings nur für die einfache Fahrt, wenn ihr eines Tages wieder aus dem Delta heraus wollt und meine Dienste wieder in Anspruch nehmen möchtet, so müsst ihr erneut bezahlen.”
„Nichts dagegen”, sagte Barasch-Dorm. „Deine Dienste sind uns so viel wert.”
Er hielt dem Lotsen seine Hand hin. Darin lag der Kieselstein.
Der-Große-Helle starrte wie gebannt auf diesen Kieselstein. „Ein Schubitu”, flüsterte er und nahm den Stein in die Hand, betrachtete ihn voller Unglauben.
Der Schubitu war eine in Kreitska gebräuchliche Goldmünze, die allerdings großen Seltenheitswert hatte. Wegen ihrer außergewöhnlichen Größe und Reinheit war der Schubitu fünfmal so viel wert wie Goldstücke beispielsweise aus Scho-Lah.
Der-Große-Helle steckte die angebliche Münze ein.
„Folge uns jetzt!”, forderte Barasch-Dorm.
Auf Der-Große-Helles Gesicht erschien ein seliger, etwas entrückter Gesichtsausdruck. „Ja, Herr”, flüsterte er.
Barasch-Dorm wandte sich an den etwas erstaunt dreinblickenden Koschna.
„Eine einzelne schwache Seele ist leicht zu kontrollieren”, sagte Barasch-Dorm so leise, dass nur Koschna es verstand.
„Du hast ihn betrogen”, stellte Koschna genauso leise fest.
Barasch-Dorm zuckte die Achseln. „Ich habe diesen Mann sehen lassen, was er sehen wollte. Das ist alles.”
Und Koschna-Perdoschna Wolfsauge fragte sich, ob dieser Mann vielleicht auch ihn nur das sehen ließ, was er insgeheim sehen wollte: Berge von Gold, die angeblich in irgendeiner Ruinenstadt verborgen waren.
*
Als Koschna und Barasch-Dorm zum Hafen zurückkehrten, hatte sich dort eine Menschentraube von Schaulustigen um den Liegeplatz der SEEWOLF herum gebildet. Aufgeregtes Stimmengewirr erfüllte die Luft.
Jule und Pet, die sich die ganze Zeit nur auf Koschna und dessen unmittelbare Umgebung konzentriert hatten, zuckten erschrocken zusammen, denn dass sich die Situation außerhalb des Schiffes so dramatisch verändert hatte inzwischen, war ihnen gar nicht aufgefallen.
Sie waren
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