Dunkelerde: Gesamtausgabe
für einen Moment unschlüssig, aber dann konzentrierten sie sich wieder auf Koschna:
„Was will denn diese wilde Meute von Leuten?”, fragte dieser, an Barasch-Dorm gewandt und nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass der Lotse weit genug von ihnen abgedrängt worden war, dass er seine Worte nicht mehr verstehen konnte.
„Sie zerreißen sich das Maul darüber, ob vielleicht noch die Aussicht besteht, dass sie Zeuge irgendeiner Menschenschlachtung werden. Verstehst du so wenig von ihrem Dialekt?”
„Diese Narren!”, sagte Koschna. „Ja, ich habe die Worte sehr wohl verstanden, aber ihr Sinn wollte mir nicht klar werden. Ist ja auch zu absurd...”
Barasch-Dorm zuckte die Achseln. „Die Bewohner Kreitskas sind genauso sensationsgierig wie Menschen überall und darscha-dosche Schiffe sind hier selten. Sie sind eher in Schanni-Schann anzutreffen. Aber je geringer die Kenntnis, desto mehr ist man gezwungen, die Lücke des Unwissens durch pure Einbildung zu füllen.”
„Sind die Geschichtenerzähler Kreitskas nicht über sie Landesgrenzen hinaus bekannt, um nicht zu sagen: berüchtigt?”, entgegnete Koschna.
„Du sagst es.”
Die drei Männer drängelten sich durch die Menge. Kurz bevor Koschna an Bord ging, wandte er sich noch einmal um. „Sag ihnen, dass wir Händler sind, Barasch-Dorm”, forderte er. „Friedliche, harmlose Händler.”
„Das ist nicht die Wahrheit, Koschna.”
„Kümmert Euch neuerdings die Wahrheit, Barasch-Dorm?” Koschna lachte rau. „Sag es ihnen und beruhige sie und sag ihnen außerdem, dass ihre perverse Sensationsgier heute nicht mehr befriedigt werden wird.”
„Ich werde das nicht tun”, sagte Barasch-Dorm. „Weder Ersteres noch Letzteres.”
„Wieso?”
„Sehr einfach: Wenn wir vorgeben, Händler zu sein, dann heißt das, dass du eine offizielle Genehmigung einholen müsstest, um ein Gewerbe anzumelden, Kapitän. Das ist für Ausländer in Kreitska eine komplizierte Sache und außerdem nicht billig.”
„Ein paar falsche Steine, die aussehen wie jene, von denen die Dummköpfe glauben, dass es sich um Goldstücke handelt, dürften dieses Problem aus der Welt schaffen”, erwiderte Koschna.
„Du überschätzt meine Kräfte, Kapitän.”
„Ach, ja?”
„Wie ich dir bereits in der Wohnung dieses Lotsen sagte”, und dabei deutete er auf Der-Große-Helle, „so ist der Geist eines einzelnen schwachen Menschen leicht zu kontrollieren, aber wenn ich dieses Kunststück mit einem lokalen Fürsten und Dutzenden von Angehörigen seiner Beamtenschaft durchführen müsste, würdest du in Kürze einen Greis vor dir sehen, der mehr einer Mumie ähneln würde als einem lebendem Menschen.”
„Also kostet die Anwendung der Magie Lebenskraft.”
„Die Anwendung jener besonderen Art von Magie, die ich verwende, ja, aber sie ist ebenso in der Lage, Lebenskraft zu schenken. Das ist eine komplizierte Angelegenheit und ich sehe keinen Grund, sie mit einem einfachen Barbaren wie dir zu besprechen, der kaum gut genug dafür sein dürfte, die Zusammenhänge zu begreifen.”
„Ein Barbar bin ich vielleicht”, sagte Koschna, „aber nicht einfältig.”
„Wie auch immer...”
„Und was ist der Grund dafür, dass Ihr diesem Menschenauflauf hier nicht sagen könnt, dass es keine Menschenopfer zu sehen gibt und wir keineswegs unsere erstgeborenen Söhne als Dörrfleisch mit uns führen, wenn wir auf große Fahrt gehen?”
Ein überlegenes Lächeln erschien in Barasch-Dorms Gesicht.
„Oh, das ist ganz einfach.”
„Ach, ja?”
„Diese Leute hier würden mir das einfach nicht glauben.”
Sie gingen an Bord. Der Lotse folgte ihnen ohne weitere Aufforderung.
Das Erste, was Koschna an Bord tat: Ausschau halten nach Jule und Pet. Er konnte sie nirgendwo entdecken, klar. Deshalb fragte er seinen Steuermann.
„Sind unter Deck”, antwortete dieser knapp. Koschna war wenigstens dahingehend beruhigt.
Der Steuermann, Solamisch-Darrschon, warf indessen einen kritischen Blick auf den schmächtigen Lotsen. „Ist das der Mann, auf den wir gewartet haben?”, fragte er. „Der leiseste Windhauch wird ihn von Bord pusten, so dünn wie der ist.”
Koschna-Perdoschna Wolfsauge lachte rau und zog seinen Steuermann beiseite.
„Ich bin mir nicht sicher, ob wir jemand anders gefunden hätten, der bereit gewesen wäre, uns für einen Kieselstein durch das Delta zu führen.”
„Für einen Kieselstein?”, echote Solamisch-Darrschon.
„Du hast richtig gehört. Aber das
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