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Dunkelerde: Gesamtausgabe

Dunkelerde: Gesamtausgabe

Titel: Dunkelerde: Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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Aura, die beide umgab. Was wirklich schlimm war für sie, das war die Langeweile. Mit gelegentlichen Albernheiten allein war diese kaum wirksam zu bekämpfen. Hinzu kam der Umstand, dass alle Besatzungsmitglieder auf Distanz zu ihnen blieben, als hätten sie Angst vor ihnen. Gewiss hing es mit der magischen Aura zusammen, die von allen gespürt wurde, nicht nur von dem bösen Magier. Dieser wäre der einzige gewesen, der sich mit ihnen abgegeben hätte, aber aus verständlichen Gründen gingen sie ihm lieber aus dem Weg, sofern die Enge des Schiffes dies ermöglichte.
    Wann immer sie einen der Matrosen und Krieger ansprachen, wurden sie nicht etwa offen abgewiesen, doch der Kontakt blieb äußerst einsilbig. Darin bildete auch der Kapitän keine Ausnahme. So blieb den beiden nichts anderes, als sich mit sich selber zu beschäftigen. Sie erfanden immer verrücktere Spiele, um sich die Zeit zu vertreiben. Eines dieser Spiele war das Hölzchenspiel „Baum-Steine-Erde”. Jeder hatte zwei Hölzchen, für jede Hand eines - und musste mit vorgestreckten Fäusten raten, wie viele insgesamt gehalten wurden. Das hieß: Der eine riet und der andere rief danach entweder Baum, Steine oder Erde. Dabei bedeutete Baum: „Ich habe mehr Hölzchen in den Fäusten als du”, Steine: „Keiner hat auch nur ein Hölzchen”, Erde: „Du hast mehr Hölzchen als ich, weil meine erst noch heran wachsen müssen”. Somit war derjenige, der ansagen musste und eine genaue Gesamtzahl nannte, zunächst einmal im Nachteil. Stimmte seine vermutete Zahl jedoch, hatte er auf jeden Fall gewonnen. Stimmte sie nicht, entschied, ob der andere Recht hatte: Hielten beide beispielsweise je ein einziges Hölzchen, hatte dieser keine Chance, richtig zu raten, denn das war weder Baum, noch Steine, noch Erde. Selbst wenn bei der Voransage drei oder Null gesagt wurde, hatte der Ansagende gewonnen - und musste erneut ansagen.
    Dieses Spiel hatten sie schon auf hoher See entwickelt - neben weiteren. Alle Spiele variierten sie unzählige Male, um sich die Langeweile zumindest erträglich zu machen. Wenn am Ende jedoch auch dies alles nichts mehr nutzte, gingen sie immer wieder mal an Deck und schauten sich um. Kapitän Koschna hatte nichts dagegen einzuwenden. Überhaupt kümmerte er sich unterwegs auf dem Fluss recht wenig um sie. Da sie einen Teil seiner Gedanken belauschen konnten, wussten sie auch wieso: Er wurde zunehmend von Sorge um sein Schiff und seine Leute geplagt. Schließlich befanden sie sich auf einem ihnen feindlich gesinnten Erdteil und auch noch mittendrin, um immer tiefer vorzudringen, ohne die geringste Chance, wirklich zu fliehen, wenn es einmal nötig geworden wäre. Eine eindeutig schlechtere Lage als irgendwo auf hoher See. Da nutzte auch nichts „seine Rückversicherung” mit Namen Jule und Pet.
    Die beiden hielten sich lieber freiwillig fern von ihm, weil sie ahnten, dass sie ihm gegen seine düsteren Gedanken kaum behilflich sein konnten. Nach außenhin jedenfalls zeigte er sich so wie immer. Niemand an Bord ahnte etwas von seinen Bedenken. Höchstens der Magier, der sich hin und wieder ein hässliches Grinsen gönnte oder eine abfällig Bemerkung machte, in einer Sprache, die niemand je gehört hatte, auch Jule und Pet nicht. Woher stammte der Magier wirklich? Natürlich nicht direkt von Dunkelerde - aber aus welchem Gebiet der Erde ansonsten? Nein, eine solche Sprache hatte wirklich keiner der beiden jemals gehört und da er dabei seine Gedanken wirksam abschirmte, konnten sie auch nicht erfahren, was er im Einzelnen sagte.
    Von Tschubat aus war die SEEWOLF weiter Richtung Süden gerudert. An den  Ufern waren Felder zu sehen. Bauern und Leibeigene arbeiteten dort und auf dem Üruschil herrschte ein reger Schiffsbetrieb.
    Immer wieder begegneten der SEEWOLF kleinere und größere Flussbarken. Bis weit hinauf, so hatte sich Koschna-Perdoschna Wolfsauge inzwischen von dem Magier und vor allem von ihrem Lotsen belehren lassen, war der Üruschil durchgängig schiffbar. Erst danach machten Katarakte und Stromschnellen eine Weiterfahrt unmöglich.
    Südlich von Tschubat konnte die SEEWOLF auch des Nachts ihren Weg fortsetzen. Die Gefahr, in Untiefen zu geraten, war hier relativ gering, sofern man sich von den mit Schilf bewachsenen Uferzonen einigermaßen fern hielt.
    Die Nächte waren relativ hell und sternenklar. In einer dieser mondhellen, klaren Nächte ragte plötzlich ein dunkler Schatten viele Meter hoch in den Himmel

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