Dunkelerde: Gesamtausgabe
hinein.
Einige der Männer an Bord der SEEWOLF gerieten in Unruhe. Die Unruhe war immerhin groß genug, dass Jule und Pet davon erwachten und schlaftrunken ihr kleines Gefängnis verließen. Angesichts des Schattens waren auch sie schlagartig hellwach.
„Hat jemand so etwas schon mal gesehen?”, rief einer. „Da muss doch dunkle Magie im Spiel sein.”
„Eine Schattenkreatur”, stieß Proschta Schädelspalter hervor.
„Für mich sieht das eher aus wie ein Gebäude”, erklärte Solamisch-Darrschon.
„Ich möchte, dass wir an Land gehen”, erklärte Barasch-Dorm plötzlich.
„An Land gehen? Hier?”, fragte Koschna-Perdoschna Wolfsauge verwundert. Er warf einen scheelen Blick in Richtung Jule und Pet, als wollte er sich vergewissern, ob diese bereit standen, ihn eventuell vor der Beeinflussung durch den Magier zu schützen.
„Ja. Es wird nicht lange dauern.”
„Was beabsichtigst du hier?”
„Dieser Schatten dort”, erklärte Barasch-Dorm, „ist eine Pyramide des alten Reiches von Parasch-Tschu-Dra und dort muss ich hin.”
„Befindet sich dort der Schatz?”, fragte Koschna.
„Nein”, erklärte Barasch-Dorm. „Aber ich habe dort etwas zu tun.”
„Du sprichst in Rätseln.”
„Das mag sein, aber es hätte kaum viel Sinn, einem Barbaren wie dir die Dinge zu erklären, die mich umtreiben.”
„Ich werde dich nicht gehen lassen”, erklärte Koschna. „Es sei denn, du gibst mir einen vernünftigen Grund dafür an, dass du in diese Ruinenstadt musst.”
Barasch-Dorm lächelte kühl.
„Denk an den Beamten des Sultans. Glaubst du wirklich, dass du mich dazu zwingen könntest, hier zu bleiben, gegen meinen Willen?” Er lachte auf. „Du bist ein Narr, Koschna.”
Etwa einen Schritt stand der Magier von Koschna entfernt. Der Kapitän wandte sich ab, dann schnellte er plötzlich herum, riss einen Dolch aus dem Gürtel und setzte ihn blitzschnell an den Hals des Magiers. Dann lächelte er. „Das hast du nicht kommen sehen, nicht wahr? Ich war zu schnell für dich. Selbst deine Magie hat das nicht vorhersehen können.” Er zog den Dolch wieder zurück, steckte ihn in den Gürtel. „Deine Macht ist nicht so groß wie du behauptest, Magier. Bislang hast du sie vorwiegend gegen solche Menschen eingesetzt, die darauf nicht vorbereitet waren, aber ich bin es und ich beobachte dich genau, sehr genau.”
„Ich glaube an vieles”, erwiderte Barasch-Dorm, „aber nicht daran, dass ein Darscha-Dosch-Kapitän jemanden umbringt, der das Wissen über einen großen Schatz in sich trägt. Also hör mit dem Versuch auf, mir Angst einjagen zu wollen. Du machst dich damit nur lächerlich, Darscha-Dosch.”
„Was willst du dort in der Ruinenstadt?”, beharrte Koschna dennoch.
Barasch-Dorm zog unter seinem Gewand einen zylindrischen Behälter hervor, der aus Leder gearbeitet war. Aus diesem Behälter zog er eine Schriftrolle, entfaltete sie. Nur Jule und Pet wussten, um was es sich handelte: Die Schriftrolle, wegen der dieser verruchte Magier den alten Mann umgebracht hatte...
Koschna trat wieder neben ihn und warf einen Blick auf die für ihn eigenartigen Zeichen, die auf dem Schriftstück zu sehen waren.
„Du kannst dies nicht lesen”, erklärte Barasch-Dorm. „Aber das liegt in diesem Fall nicht daran, dass du ein Barbar bist. Selbst die gebildeten Männer dieser Welt und dieser Zeit hätten Schwierigkeiten damit, den Text zu entziffern. Obwohl es die Sprache deiner Vorväter ist übrigens: Deutsch!”
„Deutsch?”
„Du trägst in deinem Namen das Wort Wolfsauge. Welcher Sprache ist dieses Wort wohl entliehen?”
„Der Sprache der Vorväter!”, entfuhr es Koschna.
„Habe ich was anderes behauptet?”
Koschna blinzelte verwirrt und stierte auf die Schriftzeichen, als hoffte er, von seinen Vorvätern endlich erleuchtet zu werden. Falls der Magier nicht log und es sich in der Tat um die Sprache seiner Vorväter handelte: Wieso hatten sie dann so seltsame Schriftzeichen benutzt? Hatten sich denn seitdem auch die Schriftzeichen geändert?
Er hatte keine Ahnung von lateinischen Buchstaben und den entsprechenden Veränderungen durch die Alt-Alchimisten, als sie ihre Geheimsprache entwickelt hatten, aus der wiederum später sich die Hauptsprache von Dunkelerde gebildet hatte. Sie hatten nach ihrer Verbannung auf Dunkelerde weltweit die neue Sprache eingeführt, unter magischem Zwang. Obwohl sie längst spurlos und für immer verschwunden waren, seit ihrem letzten gemeinsamen
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