Dunkelerde: Gesamtausgabe
Anbeginn von Dunkelerde. Westlich und östlich dieses großen Stroms gibt es nur mehr einen schmalen Streifen fruchtbaren Landes, dahinter die Wüste.”
„Wie weit werden wir diesen Fluss hinauf rudern müssen?”, fragte Koschna-Perdoschna, nachdem er den Magier einige Augenblicke lang nachdenklich gemustert hatte.
Ein Lächeln erschien in Barasch-Dorms Gesicht.
„Hältst du mich wirklich für so dumm, dass ich dir das jetzt schon sage, Barbar?”
„Warst du es nicht, der gesagt hat, wir wären Partner?”
„Und warst du es nicht, der mich darauf hinwies, ich sei nach wie vor ein Gefangener?”
„Was sollen diese Spitzfindigkeiten?”, grollte Koschna. „Ich dachte, wir hätten ein gemeinsames Ziel?”
„Trotzdem ist es vielleicht besser, wenn ich meine kleinen Geheimnisse für mich behalte”, erwiderte Barasch-Dorm. „Zu meiner eigenen Sicherheit, wenn du verstehst, was ich meine, Kapitän.”
Traue ihm nicht, ging es Koschna durch den Kopf. Dieser Mann spielt sein eigenes Spiel. Denke immer daran!
Schließlich wurde es vollkommen dunkel und eine Weiterfahrt war nicht möglich. Die Gefahr, dass die SEEWOLF bei diesen Sichtverhältnissen in Untiefen geriet, war einfach zu groß und so ankerte sie schließlich.
Am nächsten Morgen erst wurde die Fahrt flussaufwärts fortgesetzt. Jule und Pet hatten endlich geschlafen und fühlten sich einigermaßen erholt, als sie erwachten und sofort ihre Sinne ausstreckten, um auf diese Weise den Tag, das Schiff und dessen Umgebung zu begrüßen. Nur den Magier sparten sie dabei wohlweislich weitgehend aus.
Etwa zur Mittagszeit erreichten sie schließlich den Hafen Chelha, der am Westufer des Üruschil gelegen war.
Hunderte von Einwohnern standen am Ufer. Ihr Stimmengewirr übertönte die Laute der Vögel, die ansonsten im Delta-Gebiet die vorherrschende Geräuschkulisse darstellten.
Sie sahen zu, wie sich die Ruderblätter regelmäßig in das dunkle Wasser des Üruschil senkten und sich die SEEWOLF langsam flussaufwärts bewegte. Die Strömung war hier recht stark. Die Männer mussten sich ziemlich kräftig in die Riemen legen.
„Schwer zu sagen, warum diese Leute dort stehen und uns angaffen, als wären wir exotische Tiere”, murmelte Koschna.
„Vermutlich ist die Kunde über den Frevel, den ich in den Augen dieser Menschen begangen habe, uns vorausgeeilt”, sagte Barasch-Dorm.
Koschna lachte.
„Mit anderen Worten, du würdest mir empfehlen, nicht im Hafen von Chelha einzulaufen.”
„In der Tat”, nickte Barasch-Dorm. Seine Augen bekamen wieder jenen abwesenden Ausdruck, den Koschna schon einmal an ihm bemerkt hatte.
„Lange ist es her”, murmelte er, „vor Anbeginn von Dunkelerde sogar, da lebte hier ein zivilisiertes Volk mit erhabenen Göttern, nur das ist viel zu lange vorbei und das, was du jetzt hier siehst, Barbar, ist nichts weiter als der blasse Abglanz dessen, was das alte Reich Parasch-Tschu-Dra einst ausgemacht hat - damals unter völlig anderem Namen sogar. Die Finsternis von Dunkelerde hat endgültig darüber gesiegt...”
„Du sprichst davon, als hättest du selbst die Tage noch erlebt, als jenes Reich in voller Blüte stand”, meinte Koschna. In seinem Tonfall schwang eine deutliche Portion Spott mit. „Und was sagst du über Dunkelerde? Sie existierte schon immer und wird für immer existieren. Das weiß doch jedes Kind - überall auf der Welt. Ja, ja, als wärst du der Unsterbliche, der alles selber erlebt hat und deshalb um soviel besser weiß als alle anderen...”
„Und wenn es so wäre?”, murmelte Barasch-Dorm. „Was würde das für dich für einen Unterschied machen?” Er machte eine ruckartige Bewegung, blickte Koschna dann offen an. „In diesem Land erzählt man sich heute eigenartige Geschichten über die Mumien, die die Alten hinterlassen haben. Tote, die auf geheimnisvolle Weise an der Verwesung gehindert wurden und noch heute in den alten Grabstätten und Ruinen zu finden sind.”
„Schauderhaft”, sagte Koschna.
„Schon so mancher schwarzer Magier hat versucht, eine solche Mumie wieder zurück ins Leben zu holen. Vielleicht ist ja genau das mit mir geschehen?” Barasch-Dorm lachte schallend. „Wie leicht du zu beeindrucken bist, Barbar. Dazu braucht es nicht einmal Magie, nur ein paar eindrucksvolle Worte.”
„Du irrst dich”, erwiderte Koschna. „Mir ist es völlig gleichgültig, wer du bist und ich weiß, dass Schaman-Ulls Hinterlist in dir wohnt wie in sonst kaum jemandem, den ich
Weitere Kostenlose Bücher