Dunkelheit soll dich umfangen: Thriller (German Edition)
mit wutverzerrtem Gesicht von der Terrasse auf sie hinunterstarrte. Dann war er plötzlich verschwunden.
Er kommt, gellte es in ihrem Kopf. Sie kam auf die Beine und sah sich verzweifelt um. Weit und breit nichts, wo sie sich verstecken konnte. Zu allem Überfluss hatte es urplötzlich aufgehört zu schneien, so dass die Sicht frei war.
Die Welt um sie herum war weiß, und eine unnatürliche Stille lag in der Luft. Bloß weg hier! Zurück zur Einfahrt, wo ihr Auto stand, konnte sie nicht, denn dann würde sie Brian in die Arme laufen. Es gab nur eine Richtung, in die sie fliehen konnte – über den Greenway, um den See herum und zwischen den Bäumen hindurch. Jenseits davon lag eine Wohnsiedlung. Wenn sie es bis dorthin schaffte, könnte sie Hilfe finden.
Die Kälte schnitt ihr ins Gesicht, während sie rannte, und ihre Lunge brannte wie Feuer. Ihre Zähne schlugen heftig aufeinander, ihr ganzer Körper zitterte. Schon nach ein paar Schritten verlor sie ihre Pumps, so dass ihre Füße in den dünnen Strümpfen im Nu zu Eisblöcken gefroren.
Es war nichts zu hören, außer ihrem Atem – ein rauhes, krächzendes Geräusch. Als sie sich umblickte und sah, dass Brian ihr folgte, entrang sich ihr ein trockenes Schluchzen.
Sie lief schneller, stolperte, fiel auf die Knie, rappelte sich wieder auf und rannte weiter, immer weiter. Als sie die halbe Strecke zum See zurückgelegt hatte, setzte das Schneetreiben wieder ein, so dass sie kaum die Hand vor Augen sehen konnte. Sie war erleichtert. Mach mich unsichtbar, dachte sie. Mach mich unsichtbar.
»Vanessa!«
Ein hasserfüllter Schrei. Als sie sich erneut umschaute, konnte sie Brian gerade eben ausmachen. Jetzt konnte sie ihn auch hören. Bedrohlich grunzend kam er immer näher.
Gott sei Dank trug sie heute einen hellbeigen Pullover und eine beige Hose. Diese Farben hoben sich nur undeutlich vom Schnee ab, und mit etwas Glück konnte Brian sie irgendwann nicht mehr sehen.
Eben hatten ihr Gesicht und ihre Finger noch gebrannt, jetzt fühlten sie sich erschreckend taub an.
Vanessa unterdrückte einen Schrei, als sie stolperte und mit dem Gesicht zuerst in den Schnee fiel. Sie kam wieder auf die Beine, erreichte die Bäume und sah einen umgestürzten Stamm. Niemals würde sie die rettende Wohnsiedlung erreichen. Im Gegenteil, sie verlor langsam die Orientierung, wusste nicht mehr genau, in welche Richtung sie laufen musste.
Unfähig, klar zu denken, kauerte sie sich hinter dem Baumstamm in den Schnee und machte sich so klein wie möglich.
Kalt. So kalt.
Irgendwo in der Ferne hörte sie das Krachen von Holz gegen Holz. Brian schlug mit dem Baseballschläger gegen die Baumstämme und schrie ihren Namen.
»Vanessa! Vanessa, du Miststück. Gleich hab ich dich.« Bum! Bum!
Sie grub sich noch tiefer in den Schnee und stellte verwundert fest, dass er sie wärmte. »Deck mich zu«, flüsterte sie.
Bum! Bum!
»Vanessa!«
Die Stimme schien jetzt weiter entfernt zu sein, und Vanessa entspannte sich ein wenig. Sie fühlte sich ganz warm, so warm wie in Christians Armen. Christian. Beim Gedanken an ihn lächelte sie. Sie würden sehr glücklich miteinander werden. Endlich bekam sie den Mann, den sie sich immer gewünscht hatte, und Johnny bekam den Vater, den er verdiente.
Müde. Sie war so müde. Vielleicht sollte sie einfach für ein paar Minuten die Augen schließen. In dem Moment wurde ihr klar, dass sie sterben könnte, und sie hörte das misstönende Geschrei von Gänsen hoch oben in der Luft.
Tränen liefen ihr über die Wangen und gefroren zu Eis. Sie schloss die Augen, unfähig, noch länger gegen die bleierne Müdigkeit anzukämpfen.
»Hier!« Christian öffnete den Terminkalender in Vanessas Computer.
Alicia Richards stand an der Eingangstür. Detective King hatte sie zu Wallace Realty bestellt in der Hoffnung, dass sie irgendeinen Hinweis auf Vanessas Verbleib finden würden.
»Um halb eins war sie mit dem Ehepaar Brenner verabredet. Hier ist eine Telefonnummer.« Christian las die Zahlen vor, und Tyler King tippte sie direkt in sein Handy.
Noch niemals zuvor hatte Christian den Drang verspürt, einer Frau Gewalt anzutun, doch als er jetzt zu Alicia Richards hinüberblickte, hätte er ihr am liebsten mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Sie hatten wertvolle Zeit verloren, nur weil die Dame ihren Job nicht gemacht hatte.
Detective King erfuhr von den Brenners, dass sie Vanessa zuletzt in einem großen, auf einem vorspringenden Fels gelegenen Haus mit
Weitere Kostenlose Bücher