Dunkelheit soll dich umfangen: Thriller (German Edition)
war das Rauschen von Wasser zu hören. Irritiert fragte sie sich, was zum Teufel das sollte. War das irgend so ein Dummejungenstreich? Sie erinnerte sich an Junior-High-Pyjamapartys, als sie aus Übermut bei wildfremden Leuten angerufen hatten.
»Ich lege jetzt auf«, sagte sie.
»Nein«, antwortete eine gedämpfte Männerstimme. »Hilf mir«, flüsterte er.
Dann ertönte ein Gluckern, als wäre er unter Wasser, als würde er ertrinken.
Christian hatte die Schecks mit den Weihnachtsboni für seine Mitarbeiter ausgefüllt und unterschrieben und legte sie in den kleinen Safe in seinem Bauwagen. Er verstellte die Zahlenkombination des Schlosses und sah auf die Uhr. Fast zehn. Es war ein mörderischer Tag mit einer Menge Ärger gewesen, und wie ein Feuerwehrmann hatte er von Brandherd zu Brandherd eilen müssen.
Wenigstens hatte er etwas, worauf er sich freuen konnte, denn morgen war er mit Vanessa verabredet. Er kehrte an seinen Arbeitstisch zurück und setzte sich wieder hin, in Gedanken bei ihr.
Zwar hatte er sich von Anfang an körperlich stark zu ihr hingezogen gefühlt, aber er hatte nicht damit gerechnet, dass er sie so sehr mögen würde. Ihm gefiel ihr Humor, und obwohl sie etwas Verletzliches hatte, gab es Momente, in denen ihre innere Stärke zum Ausdruck kam, für die er sie bewunderte.
Christian hatte in der Vergangenheit eine Reihe von Beziehungen gehabt, doch nie hatte er den Drang verspürt zu heiraten … bis vor einiger Zeit. In den letzten sechs Monaten war das Gefühl der Einsamkeit, das er aus seiner Jugend kannte, mit Macht zurückgekehrt.
Seine anfängliche Sorge, dass Vanessa der Society angehörte und sich in der Kunstszene bewegte, hatte sich gelegt. Zwar waren einige ihrer Freunde Künstler, und ihr Sohn schien ebenfalls ein talentierter Maler zu sein, aber sie hatte nichts an sich, das dem ähnlich war, was er in Denver zurückgelassen hatte.
Nachdem er alle Unterlagen weggeräumt hatte, stand er auf und streckte sich. Zeit, nach Hause zu fahren. Eigentlich hätte er längst Feierabend machen sollen, war aber auf der Baustelle geblieben, um Papierkram zu erledigen.
Erschöpft schaltete Christian die Lichter aus und trat nach draußen in die Dunkelheit. Er schloss den Bauwagen nicht ab, denn gleich würde Casey McNabb kommen, der Wachmann, der die Baustelle nachts vor Diebstahl und Vandalismus schützte.
Auf dem Weg zum Auto holte Christian die Schlüssel heraus, in Gedanken wieder bei Vanessa.
Er hatte nicht übertrieben, als er zu ihr sagte, in ihrer Gegenwart komme er sich wie ein Teenager vor. Wenn er mit ihr zusammen war, hatte er das Gefühl, alles sei möglich, und war von einer seltsamen Erregung erfüllt, die er nie zuvor empfunden hatte.
»Hey!«
Er stand gerade an der Fahrertür, als der Ruf ertönte. Er drehte sich nach der Stimme um. Im selben Moment traf ihn ein Schlag seitlich am Kopf.
Christian sah Sterne, und seine Knie gaben nach. Er versuchte, nach irgendetwas zu greifen, sich irgendwo festzuhalten, doch da war nichts. Er sank zu Boden, und Dunkelheit umfing ihn.
13
Als Vanessa am nächsten Morgen zur Arbeit fuhr, schaute sie immer wieder nervös in den Rückspiegel. Vor lauter Anspannung war ihr leicht übel, als ob sie etwas Verdorbenes gegessen hätte.
Sie hielt das Lenkrad so fest umklammert, dass ihre Knöchel weiß hervortraten, und sagte sich, dass es töricht war, sich von einem anonymen Anruf derart aus der Fassung bringen zu lassen.
Gegen Mitternacht war ihr so unheimlich zumute gewesen, dass sie überlegt hatte, sich an die Polizei zu wenden. Aber was hätte sie sagen sollen? Dass jemand angerufen habe, ohne seinen Namen zu nennen, und gluckernde Geräusche zu hören gewesen seien? Die Beamten hätten sie beruhigt und ihr geraten, sich eine neue Telefonnummer geben zu lassen.
Konnte es sein, dass ein paar gelangweilte Teenager zufällig ihre Nummer gewählt hatten? Oder steckte böse Absicht dahinter?
Vanessa stellte das Gebläse der Heizung höher, um das Frösteln zu vertreiben, das seit dem Anruf von ihrem ganzen Körper Besitz ergriffen hatte.
Als sie den Parkplatz ihrer Firma erreichte, war es ihr gelungen, ihre Gedanken auf den bevorstehenden Tag zu lenken. Heute würde sie Christian sehen, und sie hatte das Gefühl, dass allein seine Gegenwart dafür sorgen würde, dass es ihr besserging.
Auf jeden Fall stellte ein Telefonanruf, wie beunruhigend er auch war, keine körperliche Bedrohung dar. Ab jetzt würde sie, bevor sie abnahm, auf
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