Dunkelheit soll dich umfangen: Thriller (German Edition)
das Display schauen, und wenn keine Nummer angezeigt wurde oder sie die angezeigte Nummer nicht kannte, den Anrufbeantworter drangehen lassen.
Ein eisiger Nordwind blies, und Vanessa rannte vom Parkplatz zur Tür, um möglichst schnell ins Warme zu kommen. Laut Wettervorhersage würde es kalt bleiben, aber noch nicht schneien. Zum Glück, denn bei Schnee würde niemand Häuser besichtigen wollen.
»Puh, ist das kalt heute«, stieß sie hervor, als sie den Büroraum betrat.
»Und es soll noch kälter werden. Nach dem Wetterbericht heute Morgen werden die Temperaturen nächste Woche auf unter zehn Grad minus sinken«, sagte Alicia mit einem freundlichen Lächeln.
Die Frau ist definitiv schizophren, dachte Vanessa, schälte sich aus ihrem Mantel und hängte ihn auf. Gestern hatte Alicia jedes Mal, wenn sie Vanessa sah, Giftpfeile verschossen, und heute lächelte sie, als wären sie allerbeste Freundinnen.
»Nächste Woche veranstaltet Johnnys Schule im Engle wood Park eine Eislaufparty, da brauche ich mir wenigstens keine Sorgen darüber zu machen, ob der See ausreichend zugefroren ist.«
»Ich habe im Radio gehört, dass man jetzt schon auf allen Seen in der Region Schlittschuh laufen kann.« Alicia kam hinter ihrem Schreibtisch hervor. »Ich wollte mir gerade einen Kaffee holen. Soll ich Ihnen einen mitbringen?«
»Das wäre nett, danke.« Vanessa beobachtete die schlanke Blondine, wie sie den Gang zwischen den Schreibtischen hinunterstöckelte, und fragte sich, wie lange Alicias gute Laune wohl anhalten mochte. Es konnte sich um Minuten handeln, um Stunden, oder, wenn sie Glück hatte, sogar um mehrere Tage.
Kurze Zeit später kam Alicia mit zwei dampfenden Tassen zurück. »Ein Löffel Zucker, stimmt’s?«
»Genau. Vielen Dank.« Vanessa nahm die Kaffeetasse entgegen, trank einen Schluck und genoss die Wärme, die sich bis in ihren immer noch verkrampften Magen ausbreitete.
Alicia setzte sich wieder an den Schreibtisch und blickte Vanessa erwartungsvoll an. »Wie war der gestrige Abend?«, fragte sie. »Haben Sie irgendwas unternommen?« Sie nippte an ihrem Kaffee und beäugte Vanessa über den Tassenrand.
»Nein, nichts. Ein ganz normaler, ruhiger Dienstagabend zu Hause«, antwortete sie. Alicia fragte sie für gewöhnlich nie, wie sie ihre Abende verbrachte. »Und bei Ihnen?«
Während Alicia anfing, sich lang und breit über ihren wundervollen Abend mit Guy auszulassen, kam Vanessa ein unheimlicher Gedanke. Konnte es sein, dass ihre Kollegin und deren Lover sie letzte Nacht angerufen hatten?
Alicia konnte Vanessa nicht leiden, das stand fest, und gestern hatte die Frau sich mit ihrer miesen Laune geradezu selbst übertroffen. Bestimmt wusste sie, auf welche Weise Jim gestorben war, und so musste ihr klar sein, wie sehr ein solcher Anruf Vanessa aufregen würde.
Falls Alicia wirklich dahinterstecken sollte, war das eine gemeine, verabscheuungswürdige Tat. Doch Vanessa wusste, dass es keinen Sinn hatte, sie mit der Sache zu konfrontieren. Natürlich würde sie so etwas nie zugeben, außerdem konnte sie lügen, ohne rot zu werden. Vanessa hatte das oft genug erlebt.
Alicias Wortschwall wurde genau in dem Moment vom Klingeln des Telefons unterbrochen, als Buzz Braxton und Craig Meloni zur Tür hereinkamen. Vanessa begrüßte die Kollegen, und kurz darauf legte Alicia den Hörer wieder auf und wandte sich ihr zu: »Das war eine Mrs. Walters. Sie lässt ausrichten, dass das Fax unterwegs ist.«
»Das ist ja phantastisch«, sagte Vanessa.
»Welches Fax?«, fragte Buzz und lehnte sich mit der Hüfte an die Schreibtischkante.
Vanessa erzählte ihnen von dem Alleinauftrag für den Verkauf der Walters-Immobilie. »Ich habe bereits mehrere potenzielle Käufer im Auge, die Sache sollte also schnell über die Bühne gehen.«
»Du Glückliche«, meinte Craig Meloni verdrießlich. »In letzter Zeit habe ich das Gefühl, ich könnte noch nicht mal in Alaska einen Heizofen verkaufen.«
Buzz schlug ihm mit der flachen Hand auf den Rücken. »Im Winter ist es immer schwierig, aber ich wette, wenn die Zinsen niedrig bleiben, brummt das Geschäft im Frühjahr wieder.«
Vanessa blickte aus dem Fenster und beobachtete, wie der Wind die Weihnachtsdekoration an den Straßenlampen hin und her peitschte. Fröstelnd schlang sie die Arme um den Körper. »Ich wünschte, es wäre jetzt schon Frühling.«
Als das Telefon erneut klingelte, verzogen sich Buzz und Craig nach hinten in den Pausenraum. »Vanessa, für Sie.
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