Dunkelheit soll dich umfangen: Thriller (German Edition)
Verdacht von sich abzulenken?
Möglich war es, aber es fühlte sich nicht richtig an. Absolut nichts an dieser Frau ließ auch nur ansatzweise vermuten, dass sie zu so etwas fähig war.
Wenn es sich bei dem Mörder also weder um Jim noch um Vanessa Abbott handelte, musste es jemand aus ihrer engeren Umgebung sein. Tyler King und sein Team hatten begonnen, jeden zu überprüfen, der irgendetwas mit den beiden zu tun hatte, sowohl zu Jims Lebzeiten als auch nach seinem Sprung von der Brücke.
King stand auf, er war müde, streckte sich. Unglücklicherweise waren die Gesichter, die ihm von der Magnettafel entgegenstarrten, nicht die einzigen Mordopfer, die nach Gerechtigkeit verlangten.
Vor zwei Tagen hatten sie in einem Müllcontainer hinter einem Schönheitssalon die Leiche einer jungen Frau gefunden. Sie war gefoltert und verstümmelt worden, und danach hatte man sie wie die Verpackung eines Cheeseburgers einfach in den Müll geworfen.
Tyler King sah auf die Uhr und stellte überrascht fest, dass es eine Minute nach Mitternacht war. »Frohe Weihnachten«, murmelte er vor sich hin und nahm seinen Mantel, um nach Hause zu gehen.
23
Am Weihnachtstag klingelte es um neun Uhr an der Haustür. Vanessa war auf dem Sprung. Sie und Johnny wollten gleich zu den Großeltern fahren.
Als sie durch das Fensterchen spähte, sah sie Scott und Eric vor der Tür stehen. Die beiden brachten eisige Luft mit herein und sangen furchtbar schief »We Wish You A Merry Christmas«.
»Genug!« Vanessa hielt sich lachend die Ohren zu, umarmte die beiden Männer zur Begrüßung fest und führte sie ins Wohnzimmer.
»Wo ist denn der Junge?«, fragte Scott.
»Er zieht sich was Passendes für unseren Besuch bei Annette und Dan an«, antwortete Vanessa.
»Ja, ja, die liebe Familie«, sagte Scott und rümpfte die Nase. Er legte zwei Päckchen auf den Couchtisch. »Wir dachten, um die Uhrzeit liegt ihr vielleicht noch im Bett.«
»Machst du Scherze? Johnny ist in aller Herrgottsfrühe aufgestanden, um nachzusehen, was Santa ihm gebracht hat.« Vanessa holte zwei Geschenke unter dem Baum hervor und überreichte sie Scott und Eric.
»Das wäre doch nicht nötig gewesen«, protestierte Eric.
»Aber wir freuen uns trotzdem«, fügte Scott grinsend hinzu. »Hast du schon Johnnys Geschenk aufgemacht?«
»Ja, gestern Abend. Es hängt bereits in meinem Schlafzimmer.«
»Das Bild ist wirklich super geworden. Der Junge verblüfft mich immer wieder.« Scott schüttelte den Kopf. »Ich glaube, er ist noch begabter, als sein Dad es war.«
»Wie auch immer, er hat beschlossen, eine Auszeit vom Malen zu nehmen, und ich bestärke ihn darin«, sagte Vanessa.
Scott sah sie überrascht an. »Ist es wegen des Wettbewerbs?«
»Nein, überhaupt nicht.« Sie setzte sich neben Scott aufs Sofa. »Ich glaube, er hat einfach gemerkt, dass er sich aus den falschen Gründen so wahnsinnig angestrengt hat.«
»Was meinst du damit?«, fragte Eric.
»Er hat gemalt, um Jims Familie einen Gefallen zu tun, und irgendwie hat er wohl auch versucht, in Jims Fußstapfen zu treten. Inzwischen hat er begriffen, dass ein Kind nicht dazu da ist, die Erwartungen anderer zu erfüllen. Er kann immer noch malen, wenn er größer ist. Falls er es dann noch will.«
»Wow, ich muss schon sagen, ich bin beeindruckt«, bemerkte Scott. »Ich dachte immer, Johnny hätte die gleiche Leidenschaft wie sein Vater, den gleichen Drang zu malen.«
»Also, ich finde das großartig«, meinte Eric. »Er sollte Ball spielen und Frösche fangen und hinter Mädchen herrennen, so wie alle anderen Jungs.«
»Hör auf!« Vanessa lachte. »Was das Ballspielen und Fröschefangen betrifft, stimme ich dir zu, aber um hinter Mädchen herzurennen, ist er noch viel zu jung.« Ihr entging nicht, dass Scott auf einmal bedrückt aussah.
»Heißt das, Johnny braucht mich jetzt nicht mehr?«, fragte er schließlich.
»Natürlich nicht«, erwiderte Vanessa schnell. »Er braucht dich als Freund. So wie ich dich als Freund brauche. Du bist ein Teil unseres Lebens. Es bedeutet nur, dass du ihn vielleicht eine Zeitlang nicht unterrichten wirst.«
Scott nickte und wirkte fürs Erste besänftigt. Sie unterhielten sich noch eine Weile, dann kam Johnny die Treppe herunter. Geschenke wurden geöffnet, alle wünschten einander frohe Weihnachten, und dann brachen Scott und Eric auf.
Auf der Fahrt zu den Abbotts dachte Vanessa über Scott nach.
Christian hatte ihr geraten, sich die Menschen in ihrem Umfeld genau
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