Dunkelkammer: Frank Wallerts erster Fall (German Edition)
Pause hatten sie seit acht Uhr hochkonzentriert und oft bis in die Haarspitzen emotional aufgeladen gearbeitet, und als er gegen zwanzig Uhr den letzten Bericht aus dem Drucker zog, saßen Maren und Malte zusammengesunken auf den Besucherstühlen in Franks Büro und waren ebenso platt wie er. Es war sehr ruhig im Präsidium. Frank ließ sich auf seinen Stuhl fallen, schob den Bericht in den vor ihm liegenden Hefter, steckte sich eine Zigarette an und nahm einen tiefen Zug. Als sich sein Blick mit dem von Maren traf, sagte sie:
„Wir brauchen eine Festnahme!“
„Da hast du Recht!“, erwiderte Frank. „Aber heute nicht mehr. Ich will jetzt meinen Kopf frei kriegen. Ich kann nicht mehr. Ich will nach Hause!“
Malte nickte.
„Ja, das war heftig heute. Wenn ihr mich fragt, ein wenig
zu
heftig! Das hält man auf Dauer ja gar nicht aus!“
„Stellt euch vor“, nahm Maren den Faden auf, „wir haben Kollegen, die sich mit so einem Dreck ständig beschäftigen. Ich habe mich heute oft gefragt, was ich als Mutter mit einem solchen Schwein wohl tun würde.“
„Und was würdest du tun?“
Maren zögerte und zuckte dann mit den Schultern.
„Ich weiß es nicht. Manchmal denke ich ….“, sie machte mit Zeige- und Mittelfinger die berühmte Scheren-Geste, „aber letztlich bin ich keine dieser Mütter oder Väter. Wenn ich mir die Eltern so ansehe, die heute mit den Kindern hier waren, glaube ich, dass sie noch gar nicht so richtig begriffen haben, was da eigentlich passiert ist.“
„Ich war ja heute bei diesen Kollegen.“, wandte Malte jetzt ein und wischte sich mit der Hand über die Augen. „Einer hat mir am Computer was gezeigt. Er ist ins Internet gegangen und hat eine sogenannte ‚Suchmaschine’ geöffnet. Dann hat er auf ‚Bilder’ geklickt und in ein Textfeld ‚Lolita’ eingegeben. Ihr könnt euch nicht vorstellen, was da alles angezeigt wurde. Innerhalb einer Zehntelsekunde hat die Suchmaschine über 100.000 Bilder gefunden. Diese Welt stimmt nicht mehr!“
„Das ist in den Zeiten des Internets, im so hoch gelobten Informationszeitalter, ein echter Markt geworden!“ Maren schüttelte den Kopf. „Wir führen einen Kampf gegen Windmühlen!“
Frank wurde energisch.
„Jetzt ist aber mal gut! Ich möchte nicht am Ende eines solchen Tages noch in Weltuntergangsstimmung verfallen. Wenn wir morgen Erfolg haben, sind einige von diesen Schweinen und ihre Machwerke schnell aus dem Verkehr gezogen!“
„Aber den Kindern können wir nicht zurückgeben, was sie verloren haben!“, bemerkte Maren.
Frank ging auf die Äußerung nicht mehr ein.
„Lasst uns ein Bier trinken!“
Maren und Malte nickten zustimmend.
Als sie später im LOKal saßen – Malte hatte an der Theke einen Bekannten getroffen und stand mit einem Bier in der Hand neben ihm – blickte Maren über den Rand ihres Glases Frank an. Ihm wurde fast schwindelig.
Dienstag 16. April 2002
Das Flugzeug nach Arrecife sollte um 10:45 Uhr abheben. Stefan Kleine hatte die Nacht im Gewühl der Düsseldorfer Altstadt – der längsten Theke der Welt – verbracht. Jetzt saß er in einem Café, das schon geöffnet hatte, und frühstückte. Sein Glück konnte er immer noch nicht fassen.
Als er gestern nach einem kurzen Einkauf auf der Schloßstraße nach Hause zurückkehren wollte, fuhr ihm der Schreck gewaltig in die Glieder. Er war in die Althoffstraße eingebogen und sah zwei Männer aus dem Haus kommen, die Kartons und seinen Computer in einem schwarzen Van verstauten. Er blieb auf der gegenüberliegenden Straßenseite, verlangsamte seinen Schritt, war aber äußerlich so kühl, dass er an seiner Haustür vorbeiging, wobei er aus den Augenwinkeln das Treiben beobachtete. Ab und zu schaute er auch unverhohlen zu dem Wagen hinüber, wie es ein unbeteiligter Passant halt auch tun würde. Ganz offensichtlich räumte man Sachen aus seiner Wohnung, und als er an der Tür vorbei war, konnte er durch die geöffnete Tür blicken und sah einen weiteren – allerdings bewaffneten – Mann im Hausflur stehen. Damit war für ihn klar, dass sich die Polizei in seiner Wohnung aufhielt und diese ausräumte.
Er konnte von Glück sagen, dass er beim Bäcker hatte warten müssen. Wenn er früher zurückgekommen wäre, hätte man ihn wahrscheinlich in der Wohnung angetroffen. Trotzdem erschrak er jetzt wieder. Wie konnte die Polizei auf seine Spur gekommen sein? Hatten sie Robert Lachner erwischt? Hatte der vielleicht irgendwelchen unvorsichtigen
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