Dunkelkammer: Frank Wallerts erster Fall (German Edition)
eine Woche nach dem Geburtstags-Kaffeetrinken wieder zu Besuch bei ihrer Großmutter war:
Auf der Treppe begegnete sie Jörg Klettner, der ihr von oben entgegenkam. Sie grüßte ihn.
„Ach, das ist ja die süße Enkelin von der alten Frau!“, sagte er grinsend.
„Lassen Sie mich bitte durch!“, entgegnete sie freundlich, aber bestimmt, denn er machte sich auf den Stufen so breit, dass sie nicht vorbei konnte, ohne mit ihm auf Tuchfühlung zu gehen.
„Du hast was, Kleine!“, machte er weiter, ohne sich zur Seite zu bewegen. „Weißt du das eigentlich?“
Als Nicole nicht antwortete, fuhr er fort: „Ein Freund von mir ist Fotograf. Du solltest mal ein paar Fotos mit ihm machen. Du hast echt das Zeug zum Model!“.
Nicole reagierte nicht, denn ihr war der Typ nicht geheuer.
„Lassen Sie mich bitte durch!“, wiederholte sie daher etwas energischer.
Klettner ging einen Schritt zur Seite und grinste sie an, ließ aber nicht locker.
„Das entsprechende Feuer hast du auch.“
Als Nicole sich an ihm vorbeizudrücken versuchte, hob er die linke Hand und berührte dabei wie zufällig ihre Brust. Nicole reagierte reflexartig, hob blitzschnell ihre rechte Hand und schlug zu. Doch Jörg Klettner war schneller und fing ihre Hand mit einem festen Griff ab.
„Ich glaube, du musst mal gefickt werden!“, stieß er hervor, ließ sie los und eilte die Treppe hinunter.
Ihrer Großmutter hatte Nicole davon nichts erzählt, ebensowenig wie ihrer Mutter. Sie hatte sich einfach zu sehr geschämt und Angst, dass ihr womöglich Vorwürfe gemacht worden wären.
Den Bericht gab Maren fast atemlos, und in jedem ihrer Sätze wurde die Abscheu deutlich, die sie diesem Jörg Klettner gegenüber empfand. Für Frank fügte sich die Information als ein weiteres Puzzlestück zum Gesamtbild. Jörg Klettner war aktiver Teil eines Ringes von unbekannter Größe, der sich mit Kinderpornographie beschäftigte. Auf die Frage, was Claudia Hülst damit zu tun gehabt hatte, wussten sie aber noch keine Antwort. Kurz darauf erschienen Malte und Reinhard, und nachdem Rolf und Frank bereits Maren fassungslos gelauscht hatten, folgten sie nun zu dritt fast ungläubig dem Bericht der beiden:
Frau Kemmling war überraschend schnell bereit gewesen, den beiden Beamten gegenüber erschöpfend Auskunft zu erteilen. Sie hatte sich in den Tagen zuvor schon überlegt, ob sie sich nicht von sich aus bei der Polizei noch einmal melden sollte. Wie Malte und Reinhard es auch gespürt hatten, war die Situation, in der sie Frau Kemmling auf die Bezeichnung „Caroline14“ angesprochen hatten, der Auslöser für ihre Gewissensbisse gewesen. In der folgenden Stunde sollten Malte und Reinhard echte Neuigkeiten erfahren.
COMPUB stand vor etwa zwei Jahren vor der Situation, aus Wirtschaftlichkeitsgründen Personal abbauen zu müssen. Lange überlegte man, wie das Problem möglichst sozialverträglich gelöst werden könnte. Mitten im Entscheidungsprozess, währenddessen man sich klar darüber wurde, dass es zwei Personen treffen würde, kam es zu einem – wie Frau Kemmling sich ausdrückte – „Zwischenfall“ beim Sichern der Festplatten. Der Partner von Jörg Klettner hatte auf seinem Firmenrechner ein verstecktes Verzeichnis angelegt, das „unsichtbar“ war. Beim Backup meldete sich aber das Programm und fragte nach, ob die „versteckten Ordner und Dateien“ auch gesichert werden sollten. Der Ordner enthielt – so Frau Kemmling – „zweideutige Fotos“. Auf Maltes Nachfrage bestätigte sie, dass es sich wohl um pornographische Fotos gehandelt hatte. Dem Mitarbeiter wurde sofort gekündigt. Man einigte sich mit ihm aber darauf, dass dieser „Vorfall“ nicht der offizielle Grund für seine Entlassung war – es handelte sich, so die offizielle Lesart, um eine betriebsbedingte Kündigung. In der Firmenleitung wuchs seitdem der Verdacht, dass auch Jörg Klettner in die Sache verwickelt war. Bei heimlichen Untersuchungen seines Rechners konnte aber nie etwas gefunden werden. Trotzdem wusste man, dass Klettner auch Monate nach der „Freisetzung“ seines Partners immer noch engen Kontakt zu ihm hatte. Als man ihn eines Tages zur Rede gestellt hatte, ohne wirkliche Anhaltspunkte zu haben, kam es zur „Trennung in beidseitigem Einvernehmen“. Klettner hatte sich zu den Verdächtigungen nicht geäußert, aber ohne langes Zögern auf den Vorschlag eingelassen, von sich aus zu kündigen. Er hatte ohnehin vor, sich in den nächsten Monaten
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