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Dunkelmond

Dunkelmond

Titel: Dunkelmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Picard
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sieht sie, dass er für sie das Gleiche empfindet. Das Verlangen ist so groß, dass es über das körperliche hinausgeht. Sie weiß mit einem Mal, dass nur seine Kräfte als Heiler die Wunden schließen können, die das Massaker, das sein Bruder anrichtete und schuld an ihrer zehn Jahre dauernden Flucht ist, hinterlassen hat.
    Und nur ihre Seelenmagie wird seinen Hass auf das Volk des Dunklen Mondes und ihr eigenes Haus auslöschen können.
    Wieder spürt sie, wie seine Lippen die ihren suchen, verlangend und fordernd, aber auch voller Freude darauf, nicht nur seinen Körper mit ihrem, sondern auch seine Seele und Magie mit der ihren zu vereinen.
    Sie schlingt die Arme um seine breiten Schultern und schmiegt sich eng an ihn, als seine Hände sie an seine Hüften ziehen. Ein Damm scheint zu brechen, in ihnen beiden, und so wie seine Gegenwart auf einmal in sie fließt, geht ihr Sein in ihn über.
    N ie ist sie jemandem so nah gewesen.
    Nie war sie so sicher, dass die Erfüllung des eigenen Seins im anderen liegt. Die vollkommene Harmonie zweier Wesen.
    Ein Geschenk, das Ys nur wenigen zuteilwerden lässt.

Kapitel 8
    »So, wie die Elben über das Wort gebieten, so tun die Menschen es über die Musik. Doch Musik ist etwas Besonderes: Die Menschen sagen, sie sei in der Lage, Geschichten anrührender zu erzählen als selbst Worte, von den größten Dichtern ersonnen, es je könnten. Tatsache ist, dass sich unter den Menschen mehr talentierte Barden befinden, denen auch die elbische Gabe der Poesie gegeben ist, als gute Musikanten unter den elbischen Poeten. Denn viele der Musikanten sind auch Herren über Geist und Seele, und so sind sie in der Lage, mit den Tönen ihrer Melodien die Seelen ihrer Zuhörer zu rühren, mehr, als die Worte der Elben es je könnten.«
    Von den Gaben der Kinder des Akusu
    Dritte Rolle der Schriften des Klosters der Weisen Zwölf
    D ie Luft, die sie atmete, war zu kalt.
    Sie schmerzte gleich doppelt in den Lungen, denn sie war so dick vom Rauch verbrannten Yondarharzes, dass sie sie aushusten musste. Gleichzeitig aber kam sie Sanara so kalt vor, als atme sie pures Eis. Sie rang nach Luft, doch sie strömte noch kälter in ihre Lungen.
    Dann erkannte sie, wo diese Luft herkam. Kräftige Hände lagen auf ihrer Wange und Brust, unerbittliche Fingerspitzen pressten sich gegen ihre Schläfen und ließen Eiseskälte nicht nur in ihre Atemwege, sondern auch in ihr Blut und ihre Gedanken strömen.
    Sanara wehrte sich und versuchte, sich aus den übermenschlich starken Armen, die sie festhielten, zu befreien.
    Sie wusste nicht, woher sie die Kraft nahm. Schmerz flammte unterhalb ihrer Brust auf, als habe jemand ein Messer hineingejagt. Die Gestalt, die sich so dicht über sie beugte, dass ihre Lippen beinahe die von Sanara berührten, taumelte plötzlich und löste sich von ihr.
    Einen Augenblick lang war sie erleichtert, als Druck und Kälte nachließen. Ihr Herzschlag beruhigte sich. Doch dann spürte sie auf einmal Reue über das, was sie getan hatte. Es war, als habe sie etwas unendlich Wertvolles von sich gestoßen.
    Gerade noch hatte sie etwas in den Armen gehalten, von dem sie wusste, dass Ys es ihr gegeben hatte; Schönheit, Kraft, Mut und Lebendigkeit hatten sich tief in ihr ergossen und eine Freude ausgelöst, wie sie sie noch nie zuvor empfunden hatte. Sie gab einen entsetzten Laut von sich und wollte es zurückholen, doch sie griff ins Leere.
    Sie versuchte, ihren Atem zu beruhigen. Noch immer bekam sie zu wenig und zu kalte Luft, noch immer schmerzte die Brust, dazu kam dieses Gefühl des Verlustes von etwas, das zu ihr gehört hatte und ein wichtiger, ja, unverzichtbarer Teil von ihr war. Als die brennende Kälte in der Lunge nachließ, kam keine Wärme. Da war nur noch Leere; eine Leere, von der sie nicht gewusst hatte, dass sie existierte und die körperlich so wehtat, als habe man ihr das Herz aus dem Leib gerissen.
    Sie schluchzte trocken. Wieder rang sie nach Atem und setzte sich auf.
    Erst jetzt erfassten ihre Augen die Umgebung. Auch die Gestalt, die vor ihr stand, war nun klar zu erkennen. Ihre Kleidung bestand aus einem weiten, hellgrünem Mantel mit fein gestickten Säumen in Blau und Gold, dazu ein weißes, gewickeltes Hemd, das einen kleinen blutigen Riss an der rechten Seite aufwies.
    Sanara erinnerte sich, an dieser Wunde schuld zu sein.
    Ihr Blick wanderte weiter, bis sie dem Mann vor sich in die Augen sah. Sie erkannte sein Gesicht   – der Zwilling des Königs. Als sie

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