Dunkelmond
und Euer Haus empfinde, dann war jeder Schlag, jeder Schwertstreich gerechtfertigt!«, rief er.
»Nichts davon ist wahr! Mein Vater tat nichts, um die Grausamkeit zu rechtfertigen, die im Allerheiligsten des Dunkelmonds geschah!«
»Nennt Ihr mich und meinen Bruder, der der König aller Elben ist, Lügner?«
»Was, wenn Ihr es wärt? Was, wenn Euer Bruder mein Haus und meinen Vater nicht getötet hätte, weil er den Mord an Dajaram rächen, sondern vertuschen wollte, dass er selbst diese Tat begangen hat, um an die Macht zu kommen?«
Mit Genugtuung stellte sie fest, dass die blasse Haut TelarionNorandars noch bleicher wurde. Der Fürst fuhr bei dieser Anschuldigung zurück, als habe sie ihn geschlagen.
Doch dann war er wieder vor ihr. Mit einem heftigen Stoß warf er sie rücklings auf das Rakkarfell und kniete über ihr. Dann riss er ihr die Bluse ein Stück weiter auf, sodass ihre nackte Haut seiner Kälte ausgesetzt war, und presste eine Hand auf ihr Gesicht, die andere auf das Zeichen ihres Hauses.
Er war ihr so nah, dass ihre Sinne nichts mehr außer ihm wahrnahmen, seinen Geruch, seine Kraft, seinen Zorn. Sanara gab einen erstickten Schrei von sich, doch er hielt sie nur umso fester.
»Ich wollte Euch nicht den Tod schenken, Mendari«, brach es aus ihm hervor. »Den Tod, den Ihr und Euer Haus mit offenen Armen zu empfangen bereit seid. Und es widerstrebt mir, Euch etwas zu geben, das Ihr offenbar für ein Geschenk haltet. Doch für Eure Lügen, für Mord und dessen Rechtfertigung kann es keine andere Strafe geben.« Entsetzt versuchte Sanara, sich wieder zu wehren, als er seine Magie ungehindert in sie jagte, doch sie kam gegen ihn nicht an. Wieder musste sie angesichts der eisigen Kälte, die sie zu überwältigen drohte, nach Luft ringen.
Doch die Kraft seiner Hände schien nur noch stärker zu werden. »Ich bin Herr des Lebens, Mendari. Und ich entscheide, Euch dieses Leben nun zu nehmen, denn Ihr verdient es nicht.«
Einen Augenblick später durchfegte ein solcher Sturm Sanara, dass ihr die Flamme des Lebens aus dem Körper gerissen wurde. Wieder stand sie neben sich und sah auf sich selbst hinab. Fast leblos lag sie da, während Telarion Norandar über ihr kniete und ihr Gesicht und ihren Körper in Händen hielt, als sei er ihr Geliebter.
Dann war sie … fort. Sie stand auf einer endlosen Ebene, mitten in einem Hurrikan, hilflos Myriaden winziger, nadelscharfer Eiskristalle ausgesetzt, die auf sie einprasselten, ihre Haut durchdrangen und ihr Blut erstarren ließen, bis der Sturm ihre Seele selbst erreichte.
Im Diesseits versuchte sie, seine Arme wegzuschieben, doch derelbischen Stärke eines Heerführers und Kriegers hatte sie nichts entgegenzusetzen. Auch auf der geistigen Ebene war jede Gegenwehr vergeblich. Sie kauerte sich zusammen, um in sich die so notwendige Wärme zu finden und den Orkan zu überstehen, doch es half nicht. Es schien, als sei ihre Feuermagie zu schwach, um sich gegen die eiskalte Luftmagie des Elbenfürsten zu behaupten.
Mit einem Schrei, von dem sie nicht wusste, ob er im Brüllen des Sturms überhaupt zu hören war, konzentrierte sie sich auf das Bild ihres Geistes: Ein kleines lohgelb glühendes Feuer mit dunklen Schlieren darin erschien, erschreckend winzig auf jener endlosen Ebene, auf der der Schneesturm immer heftiger tobte. Sie kauerte sich dicht vor die Feuerstelle, die aber kaum noch Wärme abgab. Das Feuer wurde kleiner, hatte den wütend heulenden Eiskristallen nichts entgegenzusetzen. Eine Flamme nach der anderen gab auf und erlosch.
Sanara wusste: War erst die letzte Flamme verschwunden, würde auch sie sterben. Die Kälte in ihr breitete sich immer weiter aus, drang auch in die letzte Muskelfaser, die kleinste Ader vor, ließ ihr Herz langsamer schlagen, unerbittlich und erbarmungslos.
Das Feuer verlor wieder ein paar Flammen und wurde schwächer.
Wehre dich. Überlebe.
Nein. Das muss ich nicht.
Sie hatte sterben wollen, um diesem Mann und auch seinem Bruder nicht als Sklavin dienen zu müssen. Nun gab er ihr dieses Geschenk freiwillig. Sie würde es annehmen, sodass sie erlöst war. Erlöst von Telarion Norandar, erlöst von seinem verhassten Bruder, erlöst davon, sich ihnen unterwerfen zu müssen.
Sanara sah, wie sie sich aufrichtete und dem Sturm entgegenstellte. Sie breitete die vor Kälte schmerzenden Arme in der üblichen Geste der Demut aus und schloss die Augen.
Der brüllende Wind traf Sanara mit voller Wucht und ließ sie in Myriaden
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