Dunkelmond
euch.«
»Wobei helfen?«, fragt Telarion mit rauer Stimme.
Sanara betrachtet ihn aus dem Augenwinkel, während sie mit halbem Ohr die Worte der Ys aufnimmt. Vielleicht liegt es an der Gegenwart des Schöpfergeistes der Harmonie, aber es ist, als sehe sie das Antlitz des Fürsten zum ersten Mal. Es ist schön und ebenmäßig geschnitten wie das des Königs, doch im Gegensatz zu seinem Zwilling sind die Züge Telarion Norandars ruhig und ernst, nicht grausam und zornig.
Wie sie trägt er keine Kleidung. Kein Tuch verdeckt seine kraftvollen Muskeln, seine langen Glieder und das Zeichen des Vanar auf seinem Schildarm: stilisierte, grüne Wolken mit goldenem Rand, die sich über seine Schulter bis auf die Brust erstrecken. Aber auch die rötlichen Narben auf seiner Haut liegen frei; sie wurden ihm, dem Heermeister des Königs, im Kampf geschlagen, und nicht einmal seine Kunst vermag sie zu entfernen.
Sanara bedauert plötzlich, dass das Leben den Heiler und Herrn des Lebens zwang, das Handwerk des Todes auszuführen.
Ys lächelt, als wisse sie um Sanaras Gedanken.
»Das Siegel, mit dem ich Syth einst bannte, muss zerstört werden«, fährt sie fort. »Doch nur zwei, die durch ihre Gegensätze eins sind, können es bergen und dort zerstören, wo es geschaffen wurde.«
Sanara spürt, dass der Fürst etwas sagen will, doch Ys kommt ihm zuvor.
» Du kannst es nicht allein, Sohn des Vanar. Sie kann es nicht allein. Das Siegel ist sowohl in der Leere, in der Syth lebt, als auch hier in dieser Welt. Kein Herr des Lebens könnte es ohne einen finden, der den Nebeln befiehlt. Kein Seelenherr könnte es bergen, ohne dass sein Geist ans Leben gebunden würde. Ich habe euch gewählt. Nur ihr werdet das vollbringen können, doch einer nicht ohne den anderen. Seid gesegnet!«
Dann ist Ys mit einem Mal fort. Sanara ist mit dem Fürsten der Elben allein.
Er wendet sich nach einem langen Blick, den sie nicht deuten kann, ab und schickt sich an, diesen Ort zu verlassen.
Der Gedanke, er könnte nicht mehr in ihrer Nähe sein, ist auf einmal der traurigste, den Sanara sich vorzustellen vermag. Sie streckt die Hand aus und berührt das Zeichen des Vanar auf seinem Schildarm. Seine Muskeln darunter sind hart und fest, doch die Haut ist weich und kühl wie die Wolken darauf.
Er dreht sich um und tritt mit herausforderndem Blick dicht an sie heran. In einem anderen Leben wäre sie ob dieser Nähe in Panik ausgebrochen. Doch hier wallt ein Gefühl in ihr auf, von dem sie weiß, dass es nicht ihres ist. Es ist die Erinnerung an das, was Ys für Syth empfand. Die Liebe, die einst die Schöpfergeister dazu brachte, die Welt zu schaffen.
Als Sanara zu Telarion aufsieht, weiß sie mit einem Mal, dass er das Gleiche für sie fühlt.
Sie betrachtet den Körper des Fürsten der Elben und genießt seine kraftstrotzende Schönheit. Auch sein Blick liegt neugierig auf ihr. Sie streicht über die Ader, die über die ausgeprägten Muskeln seines Schildarms läuft, über Schultern und Brust. Die tätowierten Wolken wirbeln bei ihrer Berührung auf.
Er schaudert, genießt die zarte Berührung. Sein Schwertarm schlingt sich um ihre Hüfte und zieht ihren Leib an seine Brust, zögernd erst, als schrecke er vor der menschlichen Hitze ihres Körpers zurück. Doch dann gefällt ihm, was er spürt, und er tut es mit sanfter Kraft. Die Kälte seiner Haut ist für sie angenehm und nicht m ehr schneidend, als sie mit der Nase seine Kehle berührt. Er fühlt sich frisch wie ein kühler Frühlingsmorgen an, bevor die Sonnen zu heiß werden, der Duft von Yondarharz geht von ihm aus. Sie atmet tief ein.
Plötzlich will sie mehr. Er ist ihr nicht nah genug. Sie greift in seine dichten, schwarzen Haarsträhnen, die kaum länger sind als ihr längstes Fingerglied, und zieht seine Lippen auf ihre. Ihr Kuss ist intensiv, verlangend, wird begehrlicher, und er erwidert ihn stürmisch.
Mit einem leisen Seufzen zieht er sie noch näher an sich heran, sodass sie seine Erregung spürt. Seine Hände werden mutiger, gleiten über ihre warme Haut, als bekämen sie nicht genug von diesem ungewohnten Gefühl. Seine Finger streichen erst über ihren Rücken, dann ihre Hüften, ihren Bauch und finden schnell die Stellen ihres Körpers, deren Berührung sie sich am meisten wünscht. Für einen Moment wird die Sehnsucht nach mehr so übermächtig, dass sie nach Atem ringen muss.
Noch nie hat Sanara einen Mann so begehrt wie Telarion Norandar, und in seinen seltsamen Augen
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