Dunkelmond
es am wichtigsten gewesen wäre, versagte. Wieder und wieder.
Erneut zog das Sirren eines daikons seine Aufmerksamkeit erst im letzten Augenblick auf sich. Er duckte sich gerade noch rechtzeitig unter Gomarans Klinge weg, als diese über ihm vorbeipfiff, und rammte dem Milchbruder mit einer geschmeidigen Bewegung von unten den Ellbogen gegen die Brust, um wieder Abstand zwischen ihn und sich zu bringen.
Gomaran ächzte kurz, als der Hieb ihm die Luft aus den Lungen trieb. Wieder hob der Heermeister das Schwert mit beiden Händen über den Kopf, umklammerte das von Schweiß durchtränkte Heft noch einmal neu und ließ dann einen Hagel von Schlägen auf den Hauptmann niederprasseln.
Einen Sturmhagel wie den, den er auf die Tochter des Siwanon hatte niedergehen lassen, der sie hatte töten sollen. Und der es nicht getan hatte.
Seine Magie, die ihn nie im Stich gelassen hatte, hatte auch hier versagt. Wieder wünschte er sich, er hätte den Versuch, diese Dunkelmagierin zu heilen, niemals gewagt.
Doch er hatte es getan, und das, obwohl sie sich ausgerechnet mit einem qasarag hatte töten wollen. Er war Heiler, er hatte den Blutsee gesehen, in dem sie gelegen hatte und sofort gewusst, dass die Verletzung tödlich war. Aber dank seiner Magie hatte er auch bemerkt, dass ihre Seele nicht hatte gehen wollen. Die Flamme ihres Selbst hatte ruhig neben ihrem Körper gekniet.
Jetzt wusste Telarion, dass es an der Magie des qasarags gelegen hatte. Die Kraft dieser magischen Waffe war dunkel, sie gehörte Akusu und Syth und hatte die Tochter des Siwanon demzufolge gestärkt. Hätte sie einen normalen Dolch benutzt, wäre er zu spät gekommen.
Und trotzdem hatte er die Dunkelmagierin heilen wollen. Er hatte sich und der Welt beweisen wollen, dass er, Telarion Norandar, der Heermeister und Heiler, stärker war als ein qasarag , stärker als eine Amadian, stärker noch als selbst Akusu oder Syth.
Und obwohl er den qasarag hatte besiegen können, hatte er sich letzten Endes als der Schwächere erwiesen.
Die Niederlage war schwer zu ertragen.
Seit Tagen fand er nicht mehr zu der Kühle zurück, die ihm stets innegewohnt hatte. Er war gereizt und leicht aufbrausend – auch jetzt, da Gomaran wieder auf ihn zustürzte, kurz vor ihm aufsprang und das daikon in seiner Hand so drehte, dass die Spitze nach unten auf seinen Gegner wies.
Telarion schrie vor Wut auf, wich zur Seite aus, wirbelte herum, ging in die Knie und ließ seine Klinge dort über den Boden schwingen, wo Gomaran gerade im Begriff war zu landen. Erst im letzten Augenblick bemerkte sein Milchbruder, was er vorhatte, und drehte sich noch in der Luft, um der Klinge auszuweichen. Schwer atmend kam er etwa einen Klafter entfernt zum Stehen und wandte sich um.
Telarion richtete sich auf, packte das Heft seines Schwerts mit einer Hand und machte einen Ausfallschritt nach vorn, sodass seine Klinge zustach. Doch erneut war er nicht schnell genug. Gomaran knickte in der Hüfte ein und wich nach hinten aus. Telarion folgte ihm, wieder hallte das Klirren von Metall durch den Saal, als die Klingen erbarmungslos aufeinandertrafen.
Gomaran war ein guter Gegner. Beinahe so gut wie diese Dunkelhexe, die auf jeden Zauber, den Telarion ausübte, einen Gegenzauber zu wirken verstand. Wütend ließ der Heermeister das Schwert durch die Luft sausen. Er hatte aus Überheblichkeit und um sie für eine Lüge zu bestrafen, die Grenzen seiner Kunst überschritten. Und sie hatte das ausgenutzt. Sie hatte die Magie in ihm, auf deren Stärke er immer stolz gewesen war, verändert – was genau umgekehrt hätte geschehen sollen.
Telarion schüttelte sich fast vor Abscheu, als vor seinem inneren Auge wieder die Bilder aufstiegen, die sie in ihm ausgelöst hatte, als er sie hatte töten wollen. Er hatte aus Zorn über die Lüge, seinen Bruder betreffend, alle Kraft in den Versuch gelegt, ihre Essenz zu löschen, und dabei vergessen, sich selbst zu schützen. Sie hatte diese Schwäche, dieses dumme Versäumnis, sofort ausgenutzt und ihre eigene Magie – und infamerweise auch die der Ys – tief in ihn gepflanzt.
Die Bilder, die sie ihm so eingegeben hatte, beschämten Telarion Norandar zutiefst.
Er war sicher, hätte er ihre Magie wieder aus sich vertreiben können, dann wären auch diese Bilder verschwunden. Doch es war, als hätte die fremde Magie in ihm ein Eigenleben. Er konnte sie nicht beeinflussen, nicht einmal über längere Zeit unterdrücken, denn sie füllten eine Leere in ihm,
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