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Dunkelmond

Dunkelmond

Titel: Dunkelmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Picard
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prallt alles ab. Ich kann ihn nicht beeinflussen. Ich kann ihn nicht einmal erkennen!«
    Der Shisan betrachtete ihn mit amüsierter Gelassenheit. »Ich finde es ein wenig anstrengend, mit dir zu sprechen, wenn du ständig dein Antlitz unter dieser Kapuze und deine Gestalt unter diesem Mantel verbirgst. Hier vor Syth kannst du dein Gesicht offen zeigen.«
    Der Gast schlug nach kurzem Zögern die Kapuze zurück.
    »Ich habe keine Angst vor dir oder dem Schöpfergeist des Chaos, falls du das meintest!«, sagte er herausfordernd. »Und du weißt zu gut, wer ich bin, als dass es einen Unterschied machen sollte.«
    »Das mag sein, doch du weißt sehr wohl, dass man den Veränderungen, die Syth in dieser Welt anstößt, offen gegenübertreten sollte. Es ist eine Frage der Achtung.«
    Die offenen Worte hatten auf den Gast offenbar eine beruhigende Wirkung. Er starrte den Priester noch ein paar Herzschläge lang zornig an, doch dann kniete er nieder, schlug das Zeichen des Syth vor der Brust und breitete die Arme aus.
    »Ich gehöre ihm«, sagte er.
    »Das weiß ich«, sagte der Shisan freundlich und legte sich den Saum seiner Toga auf den Arm. »Also. Von wem sprichst du?«
    »Da ist ein Erdzauberer, der die Feuermagierin nun schon viermal besucht hat. Sie wird jedes Mal stärker!«
    Der Shisan runzelte die Stirn. »Ein Erdzauberer.«
    Der Gast nickte langsam. »Ich erkenne es an der Farbe seines Seelenbildes. Und obwohl mich Syth schon bei meinem letzten Besuch stärkte, kann meine Wassermagie seine Erdkraft nicht hinwegspülen.«
    »Warum willst du diesen Erdmagier besiegen?«, fragte der Shisan nach einer Weile.
    »Er darf die Tochter des Siwanon nicht beeinflussen. Es muss gelingen, sie zu unterwerfen. Ihre Kraft ist es, die das Siegel von den Jenseitigen Ebenen lösen und uns die Herrschaft sichern kann! Ihr wollt das Siegel ebenso wie ich.«
    Das gelblich-düstere Licht der Zwillingsmonde leuchtete nun durch eines der Maßwerk-Fenster. Der Shisan ging ein paar Schritte und sah in den Wüstengarten hinaus, der sich aus Sand, Steinen und den jetzt dunklen Silhouetten der dornenbewehrten Sagaros zusammensetzte. Der sorgfältig und sauber geharkte Boden glitzerte im blassen Mondlicht.
    Auf einem kleinen Hügel, den man erklimmen konnte, befand sich eine Figurengruppe aus rötlichem Sandstein, den man vom Berg Farokant im Süden Solifes geholt hatte. Es war eine Darstellung, in der der Schöpfergeist des Chaos dem ersten Wesen, das sein Sohn Vanar aus dem Harz des Yondarbaums geformt und inWolken und den Wassern des Mondsees getauft hatte, nun Leben einhauchte.
    Es war ein Frevel gegenüber Akusu gewesen, doch dieser Frevel hatte die Elben hervorgebracht. Vielleicht war es ja auch ein Frevel, dass Tarind herrschte – und doch konnte vielleicht nur so Besseres entstehen.
    Der Schöpfer der Zerstörung und des Chaos musste wieder in die Welt, er musste die Stagnation durchbrechen, die Ys seit seiner Verbannung aufrechterhielt.
    »Ys darf nicht weiter allein regieren«, flüsterte der Gast drängend. »Das Siegel gehört endlich in die richtigen Hände. Nur wir können dafür sorgen, dass das geschieht!«
    Der Priester nickte langsam und schlang sich erneut den Saum seiner Robe um den Arm. Er schien zu wissen, wen sein Gast mit »wir« meinte.
    »Warte hier«, sagte er und ging zum Altar des verknoteten Torus. Dort standen vier Schalen, je eine mit den vier Elementen: Die Gaben, die Syth und Ys gerecht unter ihren Zwillingskindern aufgeteilt hatten.
    Er zog eine kleine Schüssel aus Kupfer hervor, griff in die rote Schale und holte eine Handvoll Lehm heraus, die er in die Kupferschale gab. Dann ging er zur blauen Schale und entnahm ihr ein wenig Wasser, das er mit der Erde mischte. Dabei murmelte er ein Gebet, mit dem er allen vier Schöpfergeistern dankte, und formte sodann eine kleine Scheibe, in die er das Symbol des Torus, das der Veränderung, und ein Zeichen für Stärke einritzte. Dann warf er die Scheibe in die gelbe Schale, in der eine stete Flamme brannte und das Amulett härtete. Zuletzt nahm er trotz der heißen Flamme die gebrannte Scheibe aus der gelben Schale und legte sie in die grüne, in der sich aromatischer Rauch kräuselte, um sie abzukühlen.
    Und doch war die Scheibe noch warm, als er sie herausnahm, ein Lederband hindurchzog und das Amulett dem Gast um den Nacken legte.
    »Die Kraft des Syth sei mit dir. Mögest du Erfolg haben, sodass diejenigen, die die Veränderung gut heißen und immer offen für

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