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Dunkelmond

Dunkelmond

Titel: Dunkelmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Picard
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sie waren, die Macht erhalten.«
    »Ich danke dir«, wisperte der Gast und berührte ehrfürchtig das kleine Amulett. Es hatte sich beim Kontakt mit der Haut des Unbekannten leicht gefärbt und besaß nun die Farbe von Lavendelblüten.
    »Leg es nicht ab. Aber lass es auch niemanden sehen«, sagte der Shisan. »Es entfaltet seine Wirkung nicht sofort. Da es sich aus der Veränderung speist, musst auch du dich verändern und aus der Schwäche Stärke entwickeln. Erst dann wirst du spüren, dass geschieht, was du wünschst.«
    Noch einmal verneigte sich der Gast, dann erhob er sich. »Ich danke dir. Ich verspreche, dass ich das Siegel finden werde.«
    Der Unbekannte schlug seine Kapuze über den Kopf. Das Gesicht verschwand in den Schatten des Mantels, ebenso wie die Gestalt selbst.
    Dann enteilte er durch Tor und Sandgarten in die Dunkelheit.
    Nachdenklich sah der Shisan seinem Gast hinterher. Er fragte sich, ob und wann er ihn wohl wiedersehen würde.
    »Nein!«
    Sinan hielt inne, als er merkte, dass sein Ausruf die Aufmerksamkeit vieler, die um ihn herumsaßen, auf sich gezogen hatte. Er, Mojisola und Ronan saßen bereits in einer stilleren Ecke des Gastraums der Taverne, doch sie waren nicht weit genug von der Feuerstelle und dem Schanktisch des Wirts entfernt, als dass man sie hätte überhören können, wenn einer von ihnen seine Stimme erhob.
    Mojisola sah den Freund vorwurfsvoll an. »Du solltest wissen, dass wir hier nicht zu laut reden dürfen!«
    Sinans bernsteinfarbene Augen funkelten böse. »Meine Schwester hat sich auf die Seite der Norandar-Brüder geschlagen,und ich soll Ronan zuliebe so tun, als sei sie die Auserwählte?« Er konnte sich nur mühsam beherrschen.
    In seiner Stimme schwang Bitterkeit darüber, dass ihn Sanara, seine Schwester, für die er jahrelang der Ersatzvater gewesen war, verraten hatte. Er war sicher, dass sie alle Amadians verraten hatte und damit auch das eigene Volk   – er hatte selbst gehört, wie der Vogt es sagte!
    »Und glaubst du wirklich alles, was Bertalan von sich gibt?«, gab Mojisola geringschätzig zurück. »Wenn einer auf der Seite dieser Blätterfresser steht, dann er. Er hat sicher nur wiederholt, was ihm der König sagte. Oder der Heermeister, was wohl auf das Gleiche hinausliefe, wie du selbst weißt!«
    Damit stieß er seinen halbgeleerten Becher mit kurimis gegen den von Sinan. Es klang freundschaftlich und war sicher als Versöhnungsangebot gedacht, doch Sinan brachte es nicht über sich, die Geste zu erwidern.
    Sinan schluckte. Er dachte an das Netz aus grünen Funken, das er kurz, aber sehr deutlich in Sanaras Pupillen gesehen hatte, bevor er ihr den Dolch in den Schoß hatte fallen lassen. Bewies das etwa nicht, dass der Vogt sehr wohl recht hatte? Auch jetzt noch bereitete schon die bloße Erinnerung ihm Schmerz. Es war gleich, ob man ihre Magie mit Gewalt beeinflusst hatte oder ob sie sie freiwillig abgegeben hatte – alles, was zählte, war, dass sie lebte und zuließ , dass sie von den Mördern ihrer Familie benutzt wurde. Ja, dass sie sich dem Vernehmen nach den qasarag , den er mit so viel Mühe hergestellt hatte, selbst ins Herz gestoßen hatte, statt einem der verhassten Elbenbrüder in die Brust!
    Sinan wusste genau, hätte er Zugang zu den Jenseitigen Nebeln gehabt, er hätte den Dolch tief in den Körper dieser Mörder getrieben und wäre sofort dorthin gegangen, bevor sich auch nur ein Norandar damit hätte brüsten dürfen, einen Amadian besiegt zu haben.
    »Ihr könnt sagen, was ihr wollt«, murmelte er. »Für mich ist sie tot. Ich hätte ihr den qasarag nie überlassen dürfen.«
    »Sie versuchte, sich selbst damit das Leben zu nehmen, weil du ihr nicht glaubtest, dass sie keine Verräterin ist«, warf Ronan ein. Seine Stimme klang ernst. »Sie tat es dir zuliebe, verstehst du das nicht?«
    »Meinst du, es macht mir Spaß, so von meiner Schwester zu denken?«, fuhr Sinan erneut auf. »Ich habe jahrelang gehofft, sie wiederzusehen«, fuhr er mit mühsam gedämpfter Stimme fort. »Seit ich aus dieser Stadt floh! Meinst du, ich hätte mir gewünscht, zuzusehen, wie sie den Weg unseres Vaters einschlägt? Sie war immer der Ansicht, Siwanon hätte die Menschen nicht verraten, sondern sei nur mit Tarind gegangen, weil ihm keine andere Wahl blieb.«
    »Die hatte er auch nicht«, bekräftigte Ronan. »Ein Seelenherr kann bei aller Macht nicht von jetzt auf gleich in die Nebel eintauchen und dort den Tod eines ganzen Elbentrupps befehlen.

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