Dunkelmond
glühend gelb lodernde Flammenkugel auf seiner Hand entstehen und warf sie gegen einen Elben, der erneut versucht hatte, einen Baum zum Wehrturm emporwachsen zu lassen. Dann wandte er sich zu Ronan um und wies hinauf zum südwestlichen Zweig des Hauptturms.
»Es sind nicht mehr viele. Harumad signalisiert gerade, dass er schätzt, es seien rund vier mal vier mal vier gewesen«, sagte er. »Davon haben wir vielleicht ein Drittel erwischt.« Er wandte sich zu Ravindi und Vurandos um. »Corand hat ebenfalls zwei Leute verloren. Wir müssen ihnen klarmachen, dass ein Angriff sinnlos ist, bevor wir noch mehr Opfer zu beklagen haben.«
»Ich werde mit dir, Girith und Ravilas noch heute den Bannkreis erneuern.«
»Das allein reicht nicht, das weißt du«, sagte Brannas und verschoss noch einen Pfeil.
Ein Aufschrei ließ Ronan zusammenzucken. Er sah über die Brüstung und erkannte, dass Corand und ihre Gruppe sich verzweifelt gegen giftige, fleischfressende Resatpflanzen zur Wehr setzten.
Er schickte einen Pfeil hinüber, er traf den Elben, der sie angriff, jedoch nur am Arm. Immerhin hatte ein Rebell nun die Gelegenheit, dem Angreifer sein Schwert in die Brust zu jagen. Doch Corand hatte Mühe, ihren Balkon von den Resatpflanzen zu reinigen.
Es war Sanara, die versuchte, sie mit reinem Feuer zu verbrennen, doch Ronan sah mit Schaudern, dass die Pflanzen sich schneller ausbreiteten, als seine Gefährtin sie vernichten konnte.
»Auch wenn sie die Kinder des Dunklen Mondes hassen, an der Macht des Akusu wollen sie teilhaben!« Brannas stieß den Satz mit bitterer Stimme hervor. Wieder ließ er eine orangegelbe Flamme auf seiner Hand entstehen und schleuderte sie zornig gegen die Angreifer.
Ronan sah der Feuerkugel hinterher. Brannas hatte gut gezielt, sie traf zwei Elben, deren Kleider sich sofort entzündeten. Ein Wassermagier versuchte, die brennenden Gefährten zu löschen, doch es misslang. Sie verbrannten vor den Augen der anderen zu Asche.
Und doch hinderte das die Landari nicht, nun auch auf Corands Balkon die giftigen Resatranken hinaufzuschicken. Wenn sie die Angreifer nicht bald entscheidend schlugen, würden die Widerständler keine Gelegenheit mehr dazu haben.
Ronan sagte nichts weiter, sondern wandte den Blick ab. Er zog die Elfenbeinflöte aus seinem Gürtel. Sanft strichen seine Fingerspitzen über die kunstvolle Schnitzerei, mit der man die Flöte versehen hatte. Doch er zögerte, sie an die Lippen zu setzen, saß nur reglos da.
Mitgefühl stand in Brannas’ Augen. »Ich weiß, dass wir alle unter Ys in Harmonie leben sollten, und es ehrt dich, dass gerade du derjenige bist, der so fest daran glaubt«, meinte er leise. Wieder flog ein Armbrustbolzen über den großen Mann hinweg und blieb zitternd im Marmor stecken. Er legte eine Hand auf Ronans Schulter und versuchte, das Flehen in den Augen des Musikanten zu ignorieren. Dann gab er Harumad und Corand ein Zeichen. Beide nickten.
Corand verschwand hinter der Brüstung ihres Balkons.
Brannas nickte Ronan zu. »Corand, Kailath und die anderen sind gewarnt. Wir können den Turm nicht halten, wenn du es nicht tust.«
Ronan nickte. Er kauerte sich hinter einer Zinne zusammen und setzte die Flöte seitlich an die Lippen. Erst blies er vorsichtig, als wolle er nur ausprobieren, wie das Instrument klang, oder als versuche er zum ersten Mal, es zu spielen. Seine Lippen bebten. Es gelang ihm nur mühsam, ihnen die zum Spielen notwendige Spannung zu verleihen.
Die Töne kamen zittrig, beinahe wie zufällig, mit großen Pausen dazwischen und so leise, dass selbst Ronan den Eindruckhatte, man höre eher seinen Atem. Die Noten schienen keiner erkennbaren Melodie zu folgen, doch nach ein paar Takten fügten sie sich zu einem Lied voller Traurigkeit zusammen, einem Lied, das voller Geheimnisse war, die von der dunklen Magie der Seelen und ihrer Existenz in den Jenseitigen Nebeln erzählten.
Die Trauer, das Leid und der Kummer, von denen sie sprachen, waren Ronans eigene Regungen, die sich darum drehten, dass alles Lebendige irgendwann starb und die diesseitige Welt verließ, die so liebevoll von den beiden ersten Schöpfergeistern geschaffen worden war. Er wusste, dass Elben, denen Vanar das Geschenk des Lebens gemacht hatte, diese Melodie, die vom Tod sprach, nicht ertragen konnten. Syth selbst hatte sie einst den Kindern des Akusu auf dem Schlachtfeld des zweiten Krieges – des zweiten von insgesamt vier – beigebracht, in der Schlacht des Leids. In der
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