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Dunkelmond

Dunkelmond

Titel: Dunkelmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Picard
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Jähzorns hatte er nicht in ihr ersticken können. Zudem hatte Ondras Suppe ihr vieles von ihrer Kraft wiedergegeben, das nun ihren Stolz nährte. Sie sah die Freundin nicht an, konnte sich aber auch nicht zum Gehen durchringen. Schließlich setzte sie sich steif hin und faltete mit hocherhobenem Kopf die Hände auf dem Tisch.
    Anjoris sah sie unverwandt an. Nach einer Weile sagte sie: »Ich habe gehört, dass es heute einen Aufruhr in der Mittelstadt gab. Ein Weber sollte verhaftet werden. Doch eine Feuermagierin rettete ihn und besiegte den Wassermagier, der ihn festhielt.«
    Sanara schluckte. »Die Menschen sind den Elben gleichgültig. Die Kinder des Vanar müssen manchmal daran erinnert werden«, sagte sie knapp.
    Anjoris sah sie an. Dann stellte sie den Becher ab, streckte eine Hand aus und schob den linken Kragen von Sanaras Bluse vorsichtig zur Seite. Sie schwieg, als sie sah, was der vergilbte Stoff kaum zu verbergen vermochte.
    Sanara schwieg und erwiderte Anjoris’ Blick trotzig.
    Anjoris nickte kaum merklich, stand auf und ließ Sanara allein. Nach einer Weile kam sie mit kleinen Töpfen, einem Mörser und Pinseln zurück. Sie stellte alles auf dem Tisch ab und ließ sich neben Sanara rittlings auf der Bank nieder.
    »Zieh deine Bluse aus«, verlangte sie. Sie gab ein Pulver in einen Mörser und begann, es mit Wasser zu einem Brei zu vermengen. »Es ist kein Mann hier, in dem dein hübscher Busen Begierden wecken könnte.« Sie stellte den Mörser ab.
    Sanara rührte sich nicht. »Ich bin nicht nur deshalb gekommen! Ich wollte auch, dass wir zusammen zu Baradhin gehen und alles mit ihm besprechen.«
    »Du musst deine Bluse schon ausziehen, wenn ich tun soll, wozu du gekommen bist.«
    »Ich bin nicht nur deshalb gekommen!«, stieß Sanara hervor. Dennoch gehorchte sie und zerrte sich die Bluse so heftig über den Kopf, dass der lohfarbene Schal, den sie um ihre hochgesteckten Haare gewunden hatte, der darstar , sich löste und zu Boden fiel. Sie achtete nicht darauf, sondern schleuderte die Bluse von sich. »Ich habe es so satt! Satt, dass die Elben uns Menschen die Kraft nehmen können, dass sie sich wie die Herren fühlen und dass ihr König glaubt, auch die dunkle Magie beherrschen zu können«, schimpfte Sanara. »Doch wir sind nicht seine Sklaven!«
    Anjoris nahm die Schale mit der hellen Farbe und einen Pinsel in die Hand und beugte sich vor. »Halt still«, befahl sie. Sanft strich der Pinsel über die handtellergroße Tätowierung auf Sanaras sommersprossiger Haut und bedeckte sie mit einer Farbschicht. »Es war nicht klug, einen der Wachsoldaten so zu verletzen«, sagte sie beiläufig und konzentrierte sich darauf, das Zeichen von außen nach innen so mit heller Farbe zu übermalen, dass man es nicht mehr sah.
    »Ich habe ihn nicht verletzt!«, verteidigte sich Sanara. »Das wollte ich gar nicht. Ich wollte Mehtid und den Weber vom Wasser befreien, sonst nichts. Als dieser verfluchte Elb das spürte, dehnte er sein Wasser auf mich aus. Du kannst dir sicher vorstellen, wie ich aussah, als die dünne Bluse an mir nass wurde!«
    Sanara erinnerte sich an den halb lüsternen, halb verächtlichen Blick des Hauptmanns, den dieser auf ihre durchsichtige Bluse geworfen hatte. Sie senkte den Kopf und sah zu, wie der Pinsel derFreundin langsam und sorgfältig den runden Kristall – er hatte die Form eines achteckigen Sterns, auf dem sich eine sechsbeinige, gelbrote Sonnenechse wand – unter der Farbe verschwinden ließ und oberhalb des linken Busens nur ein golden angehauchtes Stück blasser Haut hinterließ. Sie konnte nur bewundern, dass die Hand der Freundin so ruhig blieb, während ihre Brust sich aufgeregt hob und senkte.
    Sie zwang sich, ruhiger zu atmen, um Anjoris die Arbeit zu erleichtern.
    »Es ist nicht so, dass ich nicht verstehen könnte, was dich dazu brachte«, sagte Anjoris schließlich und betrachtete ihr Werk. Die Tätowierung, die verriet, dass Sanara aus dem Haus Amadian stammte, war nun verschwunden.
    »Aber du allein gegen die Elben? Welchen Sinn soll das haben?«
    »Auch deshalb bin ich gekommen«, erklärte Sanara. »Die Menschen haben erkannt, dass sie etwas tun können! Sie waren es, die die Wachen verprügelten. Nicht ich. Wir sollten mit Baradhin besprechen, wie wir die Gelegenheit nutzen können. Es wird noch Wochen dauern, bis Tarind und sein verfluchter Bruder wieder in der Stadt sind!«
    Anjoris ließ den Pinsel sinken und starrte Sanara an. »Was sollen wir deiner Ansicht

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