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Dunkelmond

Dunkelmond

Titel: Dunkelmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Picard
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war, mit sich, nur weg von dem zur Schlucht ausgewachsenen Spalt. Erschöpft hielten sie beide schließlich am Rande der Lichtung bei einem großen Qentarstamm inne, der sich von den Gewalten so unbeeindruckt zeigte wie ein Fels in der Brandung.
    Und tatsächlich hatte Telarion den Eindruck, als bebe die Erde nicht mehr so stark als noch vor wenigen Augenblicken. Sie zitterte noch, doch das damit einhergehende Getöse hatte nachgelassen.
    Er wischte sich mit einem Büschel Gras das Gesicht ab und sahsich blinzelnd um. Neben ihm war Tarind an dem glatten Stamm herabgesunken und rang nach Luft.
    Telarion ließ sich neben ihn fallen.
    »Du hast mir das Leben gerettet, Bruder«, sagte er. »Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll.«
    »Von der gleichen Mutter am gleichen Tag, ja, zur gleichen Stunde geboren«, erwiderte Tarind. Es klang ironisch. »Es gibt Leben, das ich durchaus schätze, Bruder.«
    Telarion nickte. Er versuchte, die Panik, die das Grollen des sonst so festen Untergrunds in ihm ausgelöst hatte, zu verdrängen. Das Erdreich hatte sich wieder beruhigt, im Gegensatz zu den Lebewesen darauf. Schreie, Rufe und Klagen drangen an Telarions Ohr und holten ihn wieder ganz auf den Boden der Tatsachen zurück.
    Sein Blick fiel auf den König, der unmittelbar vor ihm saß und dem es ähnlich erging wie ihm selbst. An seinem Schwertarm war eine hässliche Wunde zu sehen. An einer Stelle war die Haut aufgeplatzt und bläulich verfärbt, der Arm schien geschwollen. Wahrscheinlich war der Knochen gebrochen. Ein dünner Blutfaden rann dem König über die Wange. Auch neben der Nase hatte ein Ast oder eine Wurzel seine Haut aufgeschnitten.
    Telarion wusste: Mit einem gebrochenen Knochen des Schwertarms war nicht zu spaßen. Er streckte die Hand aus und ergriff den Arm seines Bruders, so sanft er konnte, um ihn zu untersuchen.
    Tarind stöhnte auf, als sein Bruder die Wunde berührte, doch er ließ ihn gewähren.
    Telarion schloss die Augen und ging zu dem goldgrünen Luftwirbel, der sich in seinem Inneren befand. Er griff hinein, nahm nach einem kurzen Gebet an den Goldenen Mond ein wenig von der kühlen, frischen Luft und ließ vor seinem inneren Auge ein Bild des gebrochenen Knochens unter der Haut und dem Fleisch entstehen. Der Knochen war nur angerissen, ähnlich seinem Schwert, und würde bald verheilt sein. Telarion strich die grüngoldene Luft in seiner Hand wie Balsam darüber und ebenso über die Platzwunde seines Bruders. Der Riss im Knochen schloss sich langsam, dann gesundeten die verletzten Muskelstränge und die Haut darüber. Der blaue Fleck am Arm würde nun auch für Außenstehende erst grün, dann gelb werden und dann zusammen mit der Schwellung verschwinden.
    Als Telarion die Augen wieder öffnete, war nur noch ein dünner roter Strich zu sehen.
    Tarinds Miene entspannte sich.
    »Bleib noch eine Weile hier sitzen«, sagte Telarion. »Benutze deinen Schwertarm nicht. Du musst den Knochen schonen, sonst wird er wieder brechen. Ich werde gehen und sehen, wo ich noch gebraucht werde.«
    Er stand auf und stieg auf die Wurzel des Qentars, um sich einen Überblick zu verschaffen.
    Wo sich noch vor wenigen Minuten das Heerlager der Elben befunden hatte, breitete sich nun Verwüstung aus.
    Zwischen den Bäumen am Rand des Waldes lagen die einfachen Planen der Soldatenzelte herum. Entwurzelte Süßholzstämme hatten sowohl Unterkünfte als auch Leiber zerschmettert; zerrupftes Laub breitete sich darüber aus. Als Telarion genauer hinsah, entdeckte er überall Flecken von Blut und Erde. Viele der Soldaten waren in den Spalten verschwunden oder noch auf der Flucht. Einigen hatten die sich plötzlich schließenden Risse im Boden die Glieder abgequetscht, andere lagen, ausgespien von der Erde und ertrunken im Wasser der eigenen Leute, auf den Moospolstern der Lichtung.
    Dann fiel sein Blick auf den großen Felsen, der in der Mitte der Lichtung auf halbem Weg zwischen dem Waldrand und dem Wasser des Sees stand.
    Er vergaß die Absicht, die Seinen zu heilen und ging mit langen Schritten auf den Fels und die drei Menschen zu, die davorstanden.
    Es hatte Tage gebraucht, bis Sinan genügend Ortstein gefunden hatte, den er nach der Ausschmelzung im Rennofen zu gutem Stahl würde schmieden können.
    Nur Hedruf hatte ihm ab und zu dabei geholfen, das Ufer des Lithon nach rötlichem Erzsand, Schlamm und dem bröckeligen Stein abzusuchen, denn obwohl der Fluss das Ufer nicht mehr angriff, war die Steilkante immer noch

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