Dunkelziffer
Glücklicherweise gelang es ihm nicht. Er wurde hinter der zerbröckelnden Maske deutlich bleich.
Söderstedt sagte so ungerührt wie möglich: »So ist das also. Sie gehören nicht dem inneren Kreis an.«
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen«, sagte Lindblad hartnäckig.
»Haben Sie verstanden, dass unser Kollege Paul Hjelm von dieser Christine Clöfwenhielm und dem Mann mit den vier Fingern und der Klaviersaite entführt oder sogar ermordet worden ist? Haben Sie das verstanden?«
Olof Lindblad kämpfte mit sich selbst. Es war deutlich, dass ein heftiger Kampf in ihm stattfand. »Es ist eine positive, lebensbejahende Organisation«, sagte er schließlich sehr deutlich. »Es geht darum, seine innere Lebenskraft zu bejahen.«
Söderstedt warf Norlander, der ihn in dieser albern bewundernden Art ansah, einen Blick zu.
Söderstedt dachte: Und wenn es so ist? Wenn dieser Mensch, der von allen, die ich kenne, am häufigsten >Schnauze< zu mir gesagt hat, mich im Innersten tatsächlich bewundert?
Das Dumme ist ja, dass ich dich bewundere, Viggo, dachte er schließlich und wandte sich Lindblad zu.
Nein, Olof Lindblad war wirklich kein hartgesottener Verbrecher. Eher ein Idealist. Söderstedt versuchte, sich gleichzeitig ein Bild davon zu machen, was Fac ut vivas für eine Organisation war. Es fehlte sehr an Information.
»Ich weigere mich, das zu glauben«, sagte Lindblad schließlich.
»Trotzdem sieht es so aus, als wüssten Sie, von wem ich spreche. Dem großen Mann mit vier Fingern an der linken Hand.«
»Das ist kein Mörder.«
»Sie wissen also, wer er ist? Wie heißt er?«
»Außer Christine kennt niemand die Namen.«
»Weil Christine Clöfwenhielm die Großmeisterin ist?«
»Ja«, sagte Lindblad und blickte zu Boden. Der innere Kampf war offenbar vorbei.
»Erzählen Sie alles, was Sie von ihm wissen«, sagte Söderstedt ruhig.
»Er tauchte vor etwa einem Jahr in dem Kreis auf. Er habe eine Sondereinladung, sagte Christine. Er sei ein Unikum. Denn er habe die Todeskraft in sich besiegt. Und er solle in dem Kreis die Chance erhalten, die Lebenskraft wieder aufzubauen. Und dann wäre er noch einzigartiger. Sie habe nie gehört, dass so etwas vorgekommen sei.«
»Was Sie sagen, ist ein bisschen schwer zu begreifen«, sagte Söderstedt. »Können Sie etwas deutlicher werden? Was tun Sie in Fac ut vivas? Wie funktioniert das für normale Mitglieder wie Sie?«
Olof Lindblad schüttelte den Kopf. »Wir haben bei unserem Leben geschworen, gegenüber Außenstehenden nichts zu sagen«, sagte er schwach. »Ich kann nicht...«
»Sie können mich raten lassen, und dann sagen Sie, ob es falsch ist.«
Der Geschäftsführende Direktor sah diesen seltsam weißen Finnlandschweden an, und das Komische war, dass sein Gesichtsausdruck dem Viggos zu ähneln begann.
»Lebenskraft und Todeskraft«, sagte Söderstedt nachdenklich. »Die Todeskraft besiegen. Weiblicher Großmeister. >Eine positiv e, lebensbejahende Organisation. Ermordet Pädophile.«
»Falsch«, sagte Lindblad.
»Leider nicht«, sagte Söderstedt bedauernd. »Und dann haben wir diesen Rigmondo, den Kerstin nur nebenbei erwähnte. Eine Gestalt aus dem achtzehnten Jahrhundert mit Penisknochen. Als Kultobjekt. Ungefähr wie die Reliquien bei den Katholiken. Das achtzehnte Jahrhundert... Mit Wurzeln im Libertinismus, oder? Wir reden hier von sexualitätsbejahenden Ritualen, oder? Ich ahne Hieros-Gamos-Ri-ten...«
Lindblad betrachtete ihn mit scharfem Blick. Aber er sagte nichts.
»Seid ihr nicht einfach nur eine Gruppe von Swingern, die Pädophile hassen?«, sagte Söderstedt in herablassendem Tonfall.
»Dann haben Sie wirklich gar nichts verstanden«, entfuhr es Lindblad.
»Ihre Frau macht auch mit, oder? Geht es um Orgien mit Gruppensex?«
Lindblad schwieg. Er sah zu Boden. »Ich dachte, Sie hätten die Lebenskraft verstanden«, sagte er schließlich leise. »Sie schienen einer zu sein, der versteht. Aber das war falsch. Sie haben mich getäuscht.«
»Sie haben keine Ahnung, was ich verstehe und was nicht«, sagte Söderstedt. »Und das macht Sie verdammt unruhig. Aber Sie versuchen es herauszufinden. Nun reden Sie schon.«
Olof Lindblad bewegte sich ein wenig auf seinem Stuhl. Er sagte: »Wir leben in einer Zeit, in der das Sexuelle überbetont wird. Aber nur äußerlich. Innerlich ist es fast immer tot. Sex ist zur Gebrauchsware unter anderen geworden. Aber Sexualität ist etwas ganz anderes, nämlich die Basis unserer menschlichen Existenz,
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