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Dunkelziffer

Dunkelziffer

Titel: Dunkelziffer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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heraus.
    Sie tasteten sich in dem dunklen Raum vor. Es gab zwar einen Lichtschalter, aber die bleiche Glühbirne erleuchtete nur einen kleinen Teil des mächtigen Bodens.
    Alles war still.
    »Stell dir vor, was hier für Dachwohnungen entstehen könnten«, flüsterte Bengt Äkesson.
    Kerstin Holm nickte und dachte: Ich erkenne einen Wink mit dem Zaunpfahl, auch wenn er geflüstert wird.
    Das Herz schlug laut und deutlich.
    In einem der Bodenräume lag ein halbierter Mensch hinter dem Maschendraht.
    Sie zuckte zusammen. Ein Augenblick tiefsten Entsetzens tat seine Wirkung, bis Äkessons Taschenlampenlicht den halbierten Menschen als eine liegende Rüstung entlarvte. An der Wand dahinter hingen ein paar Wappenschilde.
    »Adelssymbole«, flüsterte Kerstin. »Clöfwenhielm. Das muss hier sein.«
    Äkessons Taschenlampenlicht bohrte sich noch ein Stück tiefer in den Bodenraum. In einer Ecke lagen eine Menge Kartons durcheinander, alte Briefe waren über den Fußboden verstreut.
    »Spuren eines Kampfes«, sagte Äkesson, und auch seine Stimme war nicht unberührt.
    »Scheiße«, sagte Kerstin und fühlte Trauer in sich aufsteigen. »Verdammte Scheiße. Hier müssen sie Paul geschnappt haben.«
    »Auf ein Neues«, sagte Bengt und übergab Kerstin die Taschenlampe. Er holte den Dietrich heraus und schob die Dienstpistole zurück ins Holsten Das Vorhängeschloss war kein Hindernis für seine Kunstfertigkeit im Handhaben des Dietrichs.
    Sie gingen hinein. Äkesson wühlte in den Briefen. Er arbeitete sich bis in die Ecke vor. »Aha«, sagte er irgendwo tief im Dunkel. Kerstin leuchtete dorthin.
    Bengt Äkesson hatte sich einen Plastikhandschuh übergezogen und kam mit einer Kanüle in der Hand zum Vorschein.
    Eine Spritze.
    »Verdammt«, sagte Kerstin. »Nimm sie mit.« Sie betrachtete das Chaos alter Briefe. Etwas schaute darunter hervor. Etwas, was verloren worden war. Es war sehr, sehr dünn. Aber sehr, sehr stark. Es war eine Klaviersaite.
    Olof Lindblad saß in einem Verhörraum auf dem Flur der A-Gruppe und betrachtete einen lederbekleideten breiten Rücken. Viggo Norlander hatte sich umgedreht, in der etwas verzweifelten Hoffnung, Lindblad würde ihn angreifen und ihm die Gelegenheit geben, ihn gehörig zusammenzufalten. Aber Lindblad sah äußerst cool aus. Er würde nichts Übereiltes tun, das war klar.
    Söderstedt beobachtete sie durch den Verhörspiegel. Er musste seine analytischen und intuitiven Verstandesgaben zusammennehmen, um Zugang zu Olof Lindblads Charakter zu finden. Das war wahrhaftig nicht leicht. Er würde sich nicht so bald ergeben.
    Aber Arto Söderstedt war selten erfolglos. Und erfolglos zu sein, danach stand ihm auch diesmal nicht der Sinn.
    Er ging in den Verhörraum und sagte. »Wir sollten schon versuchen, ein bisschen Ordnung in die Dinge zu bringen. Sie sind für die Entführung und vielleicht Ermordung eines ranghohen Polizeibeamten verantwortlich. Und das ist sehr merkwürdig. Denn Sie sind nicht der kriminelle Typ, überhaupt nicht. Das verwirrt mich.«
    Lindblad sah ihn unbeteiligt an und sagte: »Ich weiß wirklich nicht, was ich hier soll.«
    »Ich habe es Ihnen gerade gesagt. Ihr Leben wird nie wieder so sein wie vorher. Sie haben Familie, und Ihre vier Kinder in Ihrer Villa draußen in Danderyd werden sich bald fragen, warum der Papa nicht nach Hause kommt. Und was sollen wir dann antworten?«
    »Dass Sie einem Irrtum erlegen sind.«
    Söderstedt lachte auf. »Ja. Das stimmt. Ich habe mich in Ihrem Charakter geirrt. Sie sind viel verhärteter, als ich gedacht habe. Das bedeutet, wir sollten Sie mehr als Polizistenmörder als wie einen Kapitalisten mit obskuren Ordensneigungen behandeln. An sich ist es ja vorstellbar, dass die normalen Mitglieder keinen Überblick über alle Aktivitäten von Fac ut vivas haben und Sie deshalb unschuldiger sind, als es scheint...«
    Lindblad betrachtete den schwer durchschaubaren Weißfinnen und versuchte, sich einen Reim auf ihn zu machen. So viel war jedenfalls in Söderstedts Augen zu erkennen. Jetzt galt es, Lindblad dazu zu verleiten, dass er ihn unterschätzte. Das war ein sicherer Trumpf.
    »Zumal es sich um eine äußerst mörderische Organisation handelt«, sagte Söderstedt. »Eine Organisation, die allein in den letzten acht Monaten mindestens fünfzehn Menschen ermordet hat, indem sie ihnen den Hals mit einer Klaviersaite durchschneiden ließ.«
    Olof Lindblad versuchte, seine neutrale Miene beizubehalten, aber es gelang ihm nicht.

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