Dunkelziffer
legen.
Sie stolperte über eine Wurzel und fiel auf die Knie. Ihre Hände schlugen auf den Boden, und es kam ihr vor, als sänken sie ein in das poröse Erdreich. Als würde sie in Treibsand hinabgesogen.
Die Tür öffnete sich zu einem kleinen fensterlosen Raum. Zuerst glaubte sie, der Raum sei mit Gymnastikgeräten vollgestellt, dann sah sie die Lederbänder und Handschellen. Sie beobachtete Geir. Er öffnete die kleine Tasche und brachte ein eigentümliches Gerät mit einem Handgriff und mehreren langen Lederbändern zum Vorschein.
Schließlich begriff sie, dass es eine Peitsche war. Er umarmte sie, sie zitterte und spürte, wie sich alles in ihr sammelte, alles Verbotene sammelte sich in ihrem Geschlecht, und ein heftiges Beben schüttelte ihren Körper. Er reichte ihr die Peitsche, trat zur Seite und schnallte sich an dem Gestell fest. Als nur noch eine Hand frei war, sagte er mit heiserer Stimme: »Binde mich fest.«
Wie in Trance schnallte sie seine Hand fest.
Jetzt stand er da, ohne sich rühren zu können, und zerrte und zog am Gestell. Er sagte mit einer ganz anderen, hellen, flehenden Stimme: »Hilf mir.«
Und sie ging um ihn herum, sie hob die Peitsche, all ihre Aggression sammelte sich an einem einzigen Punkt, als sie die Peitsche hob und zuschlug. Er ächzte, sie zitterte heftig und schlug noch einmal und wieder und wieder.
Und sie war glücklich.
Sie konnte die Hände nicht heben, sie steckten in dem porösen Erdreich fest, sie sanken durchs Moos, es gab keinen Grund.
Eine Spinne lief über ihren sinkenden Arm. Die eigenartigen Niesgeräusche des Hundes waren verstummt. Ein furchtbares Schweigen hatte sich eingestellt.
Sie fühlte, wie sie langsam verloren ging.
Da ertönte ein Klingeln. Der Klingelton pflanzte sich durch den Wald fort wie der Schrei einer sterbenden Zivilisation. Und er ging hartnäckig weiter, bis er ihre Hände aus dem Treibsand gezogen hatte und ihr half, die richtige Taste ihres Handys zu finden.
»Ja«, sagte sie mit tonloser Stimme.
Am Steg angekommen, rief er: »Carl-Olof Strandberg?«
Aber er hörte seine eigene Stimme nicht.
Er suchte sich einen Stock, tat ein paar vorsichtige Schritte hinaus auf den überspülten Steg und berührte mit dem Stock die Schulter des Anglers.
Der Mann drehte sich um. Sein Gesichtsausdruck war weltgewandt höflich, und er kam ein paar Schritte zurück, bis er festen Boden unter den Füßen hatte.
Als sie weit genug vom Fluss entfernt waren, dass man sprechen oder zumindest schreien konnte, sagte Nyberg: »Gunnar Nyberg. Reichskrim. Carl-Olof Strandberg?«
Der Mann, der wirklich wie ein Arzt aussah, ein distinguierter Amtsarzt, der nicht vorhatte, sich um das Pensionsalter zu scheren, sagte: »Womit kann ich dienen?«
»Was gefangen?«
»Es ist schwer bei so starker Strömung«, sagte Strandberg. »Worum geht es?«
»Es geht um einen verschwundenen Teenager«, sagte Nyberg.
»Und da kommen Sie natürlich zu mir«, sagte Strandberg und hob die Hände, dass die Angelrute durch die Luft fuhr wie Davids Steinschleuder gegen Goliath.
»Und Sie wissen auch genau, warum«, sagte Nyberg und duckte sich. »Gehen wir zu Ihrem Haus hinauf?«
Strandberg seufzte, machte aber dennoch eine zuvorkommende Geste in Richtung des Pfads.
Während er den glitschigen Hang hinaufstieg, fuhr Nyberg fort: »Es geht um ein Mädchen, das gestern aus Saltbacken verschwunden ist.«
»Ein Mädchen ? «, sagte Strandberg.
Am Ende des steilen Anstiegs die Flussböschung hinauf standen zwei Polizisten neben einem Streifenwagen und warteten auf sie.
»Hausdurchsuchung«, sagte Nyberg und hielt ein Papier in die Höhe. »Schließen Sie ihnen auf.«
Carl-Olof Strandberg schüttelte den Kopf, trat auf die Veranda vor seinem einfachen, aber gepflegten Haus und schloss die Haustür auf. Während die Polizisten an ihm vorbeigingen, kehrte er zu dem Zivilgekleideten zurück.
»Der Geschmack kann sich ja mit den Jahren ändern«, sagte Nyberg.
»Aber nicht so drastisch«, sagte Strandberg. »Außerdem wurde ich verurteilt, obwohl ich unschuldig war.«
»Selbstverständlich. Was haben Sie gestern um ein Uhr gemacht, und wo waren Sie am Nachmittag?«
»Ich war in Sollefteä.«
»Ja, weiter. Ich höre.«
»Was weiter? Ich war in Sollefteä. Punkt.«
Nyberg seufzte. »Nicht Punkt. Wann sind Sie gefahren, wohin sind Sie gefahren, wie lange waren Sie weg, wer kann Ihre Aussagen bestätigen - und so weiter und so weiter.«
Das gebräunte aristokratische Gesicht
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