Dunkelziffer
sie gesagt?«
»Erzähl du es erst mit eigenen Worten.«
»Da gibt es nichts zu erzählen. Ihr Mann war verschwunden. Ich machte Über stunden und nahm ihre Meldung entgegen. Es ging vollkommen ruhig zu.«
»Du hast nichts getan, was man als unangebracht bezeichnen könnte?«
»Absolut nicht«, sagte Äkesson in einem bombensicheren Ton, sah aber alles andere als sicher aus. »War sie hübsch?«, fragte Hjelm. »Das weiß ich nicht.«
»Nun komm schon. Wir beide wissen, wie eine hübsche Frau aussieht.«
»Vielleicht«, sagte Äkesson zögerlich. »Also war sie hübsch?« »Ja, okay, sie war wirklich hübsch.« »Geradezu sexy?«
»Tja...«
»Und es ist spät, und man hätte schon Feierabend machen sollen, und dann taucht sie auf mit einem Scheißanliegen und sitzt da und weckt einen da auf der anderen Seite des Schreibtischs, und man versinkt in Fantasien über ihren Körper.«
»Ich bin nicht in Fantasien versunken.«
»Nein, wenn man müde ist, ist es schwer, zwischen Fantasie und Wirklichkeit zu unterscheiden. Am Ende weiß man nicht genau, ob die Hand, die ihre Brust streichelt, wirklich oder eingebildet ist.«
»Jetzt mach mal halblang«, sagte Äkesson . »Ich bin ein genauso erfahrener Vernehmungsleiter wie du, Paul, und dies hier ist nicht einmal ein Verhör. Also keine billigen Tricks, bitte.«
»Worin bist du denn versunken, wenn es keine Fantasien waren?«
»In Reflexionen. Darüber, wie Menschen sich begegnen. Und nicht begegnen.«
»Erkennst du die Sätze >Ihre Schönheit ist vermutlich eine Bedrohung < und >Sie kleiden sich ziemlich aufreizend < ?«
Hjelm beobachtete Äkesson aufmerksam.
Sein Blick flackerte einen Augenblick, dann fasste er sich und sagte: »Ich habe nichts weiter zu sagen, bis ich die Vorwürfe im Einzelnen gehört habe. Und nicht, bevor es sich um ein ordentliches Verhör handelt. Und dann möchte ich einen Anwalt dabeihaben.«
»Das ist dein gutes Recht«, sagte Hjelm. »Ich hatte nur gedacht, dass wir uns vorher ein wenig informell unterhalten könnten.«
»Was soll ich denn getan haben?«
»Es geht um verbale und körperliche sexuelle Belästigung.«
Äkesson stöhnte auf, und Hjelm fuhr fort: »Angenommen, es ist nicht wahr. Angenommen, dass dir kein einziger sexistischer Spruch während des Gesprächs mit dieser sexy Frau über die Lippen gekommen ist - was für ein Motiv könnte sie haben zu lügen?« »Keine Ahnung.«
Paul Hjelm bremste sich erneut. »Ich glaube, ich bin gera de darauf gekommen«, sagte er.
»Weshalb sie lügt?«
»Ich weiß nicht, ob sie lügt. Das werde ich herausfinden. Aber ich glaube, dass dir ihr Motiv gerade klar geworden ist. Dir ist eine Einsicht gekommen.«
»Jaja«, sagte Äkesson sauer. »Ich weiß, dass du gut bist, Hjelm. Ich weiß auch, dass du gern brillierst. Aber jetzt sage ich nichts mehr.«
»Gut«, sagte Hjelm und stand auf. »Du hast ein bisschen Zeit, um deine Gedanken zu sammeln. Wir machen später ein richtiges Verhör, ich ruf dich an und sag dir, wann. Dann erhältst du Einsicht in den vollen Wortlaut der Anzeige. Aber wenn du einen Anwalt mitbringst, wird es hochoffiziell. Und auf gar keinen Fall darfst du in irgendeiner Form Kontakt zu Marja Willner aufnehmen.«
Paul Hjelm verließ den Raum.
Bengt Äkesson saß auf seinem Stuhl wie festgewachsen. In seinem Herzen tobte das Chaos. Er hatte eine fantastische Nacht mit Kerstin Holm verbracht, aber seine Gedanken mussten zurück, durch das Fantastische hindurch und auf der anderen Seite wieder heraus. Aus dem Paradiso ins Inferno. Er versuchte, Klarheit in die Situation mit Marja Willner zu bringen. Zwar hatte er beides gesagt, >Ihre Schönheit ist vermutlich eine Bedrohung < und auch den Satz >Sie kleiden sich ziemlich aufreizend < . Aber sonst? Er hatte angenommen, dass der eifersüchtige Ehemann Grund für sein Misstrauen hatte, dass sie ein spezielles Verhältnis zu Männern habe und sie wegscheuchen musste wie Fliegen. Vielleicht war all das in seinem Blick zu sehen gewesen, vielleicht hatte es für eine Anzeige ausgereicht. Aber er hatte sie nicht angefasst. Wo verlief die Grenze des Übergriffs?
Und vor allem: Wer beging ihn?
Sein Handy klingelte. Kerstin, dachte er und meldete sich. Was zum Teufel sollte er Kerstin erzählen?
Aber die Stimme, die im Handy erklang, war dunkel, fast singend. Eine Soulstimme.
»Ich weiß, dass Steffe Ihnen scheißegal ist«, sagte die Stimme klar und deutlich.
»Marja Willner«, sagte Äkesson heiser. »Was haben
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