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Dunkelziffer

Dunkelziffer

Titel: Dunkelziffer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Sie gehen von der einen zur anderen.«
    Wieder war es eine Weile still. Sara Svenhagen sah auf die Zeitanzeige des Laptops, auf dessen Bildschirm die Nacktbilder sich weiter abwechselten. Zwei Uhr. Sie konnten die Schulklasse nicht länger festhalten als bis zur Abfahrt des Zugs von Solleftei nach Stockholm. Er ging um Punkt vier. Danach würden sie sich in alle Winde zerstreuen, und die Möglichkeit, sie noch einmal gründlich zu befragen, wäre für immer vorbei.
    »Welche entscheidenden Fragen versäumen wir zu stellen?«, fragte sie in einem Ton, der im Nachhinein beinahe verzweifelt klang. Doch die Kollegen schienen es nicht zu bemerken. Sie hingen ihren eigenen Gedanken nach. Lena zum Beispiel sah alles andere als fit aus. Wie viel hatte eigentlich gefehlt, dass sie den armen litauischen Schwarzarbeiter mit dem Kuhfuß in der Hand niedergeschossen hätte? Wie viele Milligramm Druck hatten eigentlich gefehlt, um den Schuss losgehen zu lassen? Was war los mit ihr? Was hatten der Wald und die Natur mit ihr gemacht?
    Und Gunnar Nyberg, der schien sich voll und ganz darauf zu konzentrieren, nicht zu schnell zu fahren. Zu schnell zu fahren war ein Instinkt, den er sich im Verlauf mehrerer Jahre mit seinem knallgelben Renault antrainiert hatte. Bei einhundertachtzig Stundenkilometern war er ein ausgezeichneter Fahrer, aber bei neunzig ein beinahe miserabler. Er schaltete falsch und fuhr ruckhaft wie ein Fahrschüler.
    »Wir müssen zurück zum Ausgangspunkt«, sagte er gequält. »Warum ist Emily Flodberg verschwunden? Wir sind der Antwort noch nicht nähergekommen.«
    »Ja«, sagte Sara Svenhagen. »Wir müssen zurück zum Ausgangspunkt. Aber was ist der Ausgangspunkt? Was ist Emily? Ist sie ein Opfer? Machen wir einen Denkfehler, wenn wir sie als Opfer sehen? Die Nacktfotos lösten erwartungsgemäß bei einer Reihe von Männern aggressive Geilheit aus - offenbar handelt es sich im Gästebuch auf ihrer Homepage um eine große Anzahl verschiedener Aggressionen.«
    Nyberg warf die Hände in die Luft, sodass der Wagen ins Schlingern geriet, und rief empört: »Warum geht die Erotik, das Schönste, was wir Menschen überhaupt haben, so oft mit Aggressionen einher? Was läuft da falsch bei so vielen Männern?«
    »In deiner Vergangenheit hat es ja auch einige Aggressionen gegeben«, sagte Sara Svenhagen in der stillen Gewissheit, dass sie selbst nie betroffen sein würde.
    »Aber nie im Zusammenhang mit Sex«, sagte Gunnar Nyberg. »Nie in irgendeiner Verbindung mit Erotik. Ich verstehe den Zusammenhang ganz einfach nicht. Vielleicht bin ich zu wenig Mann, um das zu begreifen.«
    »Das liegt daran, dass du ein attraktiver Mann bist«, sagte Sara mit einem kleinen Lächeln. »Aber wenn man nicht besonders attraktiv ist und vom anderen Geschlecht nichts als Ablehnung erfährt, dann entstehen Aggressionen.«
    »Das ist eine Vereinfachung«, sagte Lena Lindberg mit verhaltener Stimme von hinten.
    Gunnar und Sara drehten sich zu ihr um und sahen sie an. Gunnar hätte es besser nicht getan, denn der Wagen geriet erneut ins Schlingern und näherte sich gefährlich dem Straßengraben.
    »Wie meinst du das?«, fragte er und fischte die Kotflügel aus den Blumenwiesen.
    »Es kann viele Gründe dafür geben, dass Sexualität und Aggressionen zusammengehören«, sagte Lena, immer noch mit gedämpfter Stimme. »Und die sind nicht immer besonders klar.«
    Sara hielt den Blick auf Lena gerichtet und spürte, dass ihr eine kleine Einsicht kam. Aber die behielt sie für sich. »Zurück also«, sagte sie, »zu Emilys Verschwinden. Wenn wir davon ausgehen, dass es mit den Nacktfotos zu tun hat - was ist dann geschehen? Hatte sie mit einem Mann aus dem Gästebuch eine Verabredung ? Hat sie hier oben in Ängerman land Kontakte gehabt? Oder hat jemand herausgefunden, wer sie ist, und sich die Mühe gemacht, der ganzen Klasse hier herauf in die Pampa zu folgen? Warum hat er sich nicht in Stockholm an sie rangemacht? Das wäre doch viel einfacher gewesen.«
    Gunnar Nyberg zeigte auf den Bildschirm auf Sara Svenhagens Schoß und sagte: »Es ist nicht gerade einfach herauszufinden, wer sie ist, wenn man nur diese Bilder hat. Vom Gesicht sieht man nicht viel.«
    »Aber wenn sie solche Sachen wie Kartenzahlung und einen Server hat, dann finden sich ihre Daten an vielen Stellen im Netz«, sagte Sara. »Für einen Hacker wäre es nicht besonders schwer, sie zu identifizieren. Aber für mich klingt es trotzdem nicht plausibel. Auf die Verbindung

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