Dunkelziffer
Weise, nicht auf ihre.«
»War es Johan, der vorschlug, dass die Klassenfahrt nach Saltbacken gehen sollte?«
Es war ein Schuss ins Ungewisse, aber es kam ihr richtig vor. Der richtige Zustand.
Alma Richardsson hatte ein völlig anderes Verhältnis zur Vergangenheit als Marcus Lindegren, das war deutlich. Sie hatte keine Probleme damit, in den Ablagerungen des Vergangenen zu graben und das Richtige zu finden. »Der Klassenfahrtrat hatte sich bei Nisse und Johanna versammelt, um mögliche Reiseziele zu diskutieren. Ich hatte eine Annonce mitgebracht, die interessant zu sein schien, von einem Bauern namens Arvid Lind ström in Saltbacken in Ängerman land.«
»Und warum hatten Sie die dabei?«
»Johan bittet mich im Allgemeinen nicht um Dinge, er ist viel für sich allein, aber hier schien es, als wollte er wirklich etwas. Ich hatte das Gefühl, es ihm schuldig zu sein, für ihn zu sprechen. Ein paar Tage vor dem Treffen hatte er mich noch einmal bearbeitet und gesagt, dass er genau hierhin wollte, nach Saltbacken.«
»Und warum wollte er das?«
»Ich habe keine Ahnung«, sagte Alma Richardsson und beugte sich zurück wie nach einem harten Aerobictraining.
Johan Richardsson war nicht besonders feminin, und es gab keinerlei äußere Anzeichen dafür, dass er im Begriff war, seine Homosexualität zu entdecken. Dagegen war er besonders, und es war schwer zu sagen, auf welche Weise er besonders war. Äußerlich sah er aus wie all die Vierzehnjährigen, die auf dem Gelände umherwuselten, aber sein Blick war ein wenig schärfer, ein wenig suchender - vielleicht sogar ein wenig intelligenter. Aber vor allem sensibler.
Johan Richardsson gehörte zu den Menschen, die ihr Herz in der Hand tragen.
Der Gedanke überraschte Sara. Woher kam er? Sie hatte plötzlich die Vision einer Großstadtstraße in Schwarz-Weiß. Aber hier und da ging ein einzelner Mensch in Farbe, und diese Farbenfrohen trugen ihr Herz in den Händen, und alle erkannten sich und nickten sich verstohlen zu. Als könnten sie einander nie erreichen.
Es war ein sehr merkwürdiger und sehr ergreifender Anblick.
Sie gestattete sich einige Sekunden, die Vision wegzublinzeln, und wandte sich dann Johan Richardsson zu.
Er saß in einer vollkommen schwarz-weißen Welt und hielt sein pochendes rotes Herz in der Hand. Sara blickte nieder, und auch in ihrer Hand lag ein pulsierendes Herz.
Alles, was sie dachte, war: Es muss meines sein.
Gunnar Nyberg sah zwar nicht, was geschah, war aber wachsam genug, um die Aufmerksamkeit von seiner sehr geliebten Kollegin abzulenken. Er sagte: »Im März hast du, Johan, deine Mutter dazu überredet vorzuschlagen, dass die Klassenfahrt hierhin gehen sollte. Du hast also den Anstoß dazu gegeben, dass ihr euch jetzt hier auf Gammgärden in Saltbacken befindet. Warum?«
Johan sah Nyberg mit einem traurigen Lächeln an und sagte: »Es hat sich gezeigt, dass es keine gute Idee war, nicht wahr?«
»Hast du das Gefühl, dass du Schuld trägst an Emilys Verschwinden?«
Das traurige Lächeln verschwand, und zurück blieb nur die Trauer. »Gewissermaßen schon«, sagte Johan. »Ich hätte nicht auf sie hören sollen. Ich hätte genauso feige sein sollen wie immer und mir nichts daraus machen sollen.«
»Woraus, Johan?«
»Aus ihrer Hartnäckigkeit. Aber ich konnte es nicht. Ich glaube, es war das erste Mal, dass sie mich überhaupt bemerkt hat.«
»Von wem redest du?«
»Von Emily natürlich.«
Gunnar Nyberg warf einen Blick auf seine Kolleginnen, um zu sehen, ob sie reagierten. Das taten sie. Sara riss sich aus ihrem Dämmerzustand, und Lena arbeitete sich aus dem Loch hervor, in das sie immerzu hineinfiel.
Sie waren, wie man so sagt, ganz Ohr.
Gunnar Nyberg wandte sich wieder Johan Richardsson zu und fragte klar und deutlich: »War es Emily Flodberg selbst, die genau hierhin wollte?«
»Sie kam sogar mit einer Zeitung«, sagte Johan. »Sie hatte eine Annonce eingekreist und bat mich, meiner Mutter zu sagen, dass wir dahin fahren sollten.«
»Warum kam sie zu dir?«
»Ich war natürlich blind. Ich dachte, es wäre, weil sie mich mochte.« »Aber?«
»Aber es war klar, dass es nur war, weil meine Mutter im Klassenfahrtrat saß. Und ich war leicht zu beeinflussen.«
»Und wie ging es dann weiter?«
»Als klar war, dass es nach ihren Wünschen lief, war ich ihr wieder total egal. Erst hat sie mich gelockt, dann hat sie mich weggeworfen.«
»Findest du nicht, du hättest nach Emilys Verschwinden sagen sollen, dass es
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